Open Source Software ist eine wesentliche Säule für eine gelungene Digitalisierung. Die Open Source Business Alliance setzt sich als Bundesverband für digitale Souveränität dafür ein, dass Verwaltungen, Unternehmen und Privatpersonen die Kontrolle über ihre eigenen Daten bewahren oder zurück erlangen können. Genau nachvollziehen zu können, wie die eingesetzte Software Daten verarbeitet, ist essentiell für Sicherheit, Datenschutz und digitale Souveränität. Nur ein lebendiges Ökosystem kann Monopolstellungen einzelner Anbieter effektiv verhindern. Regierungen, Konzerne, mittelständische Unternehmen, Wissenschaft und Forschung, aber auch viele Anwender kennen und schätzen die Vorteile von Open Source Software.

Dabei hat sich rund um Open Source Software mittlerweile ein ganz eigener Markt entwickelt. Immer mehr Firmen bieten Dienstleistungen sowie Produkte auf Basis von Open Source Projekten an oder nutzen diese innerhalb ihrer eigenen Wertschöpfungskette. Der weltweite Umsatz mit offener Software wird dabei auf über 5 Milliarden Dollar geschätzt. Gleichzeitig fließen durch die industrielle Nutzung von Open Source Software zahlreiche neue Features oder Verbesserungen direkt wieder zurück in das von der Community getragene Projekt und stellen damit einen wesentlichen Beitrag zum weltweiten Gemeingut dar.

Milisav Radmanic, SUSE Software Solutions Germany GmbH und Anke Pawla, Kopano GmbH haben sich mit der kommerziellen Nutzung von freier Software auseinander gesetzt und ihre eigene Sichtweise auf diesen zunächst scheinbaren Widerspruch festgehalten:

Die Ausbeutung von Open Source durch die Wirtschaft

… oder wie zwei Gegensätze lernen, sich gegenseitig zu nützen

 

Milisav Radmanic
1. Stellvertretender Vorstandsvorsitzer der OSB Alliance
SUSE Software Solutions Germany GmbH

In meinem privaten Umfeld wurde ich oft gefragt, wie man Geld mit etwas verdient, das frei verfügbar ist. Meine übliche Antwort darauf war, dass die Firma, für die ich arbeite, natürlich nur mit etwas Geld verdienen kann, das eben nicht frei verfügbar ist. Auf den Einwand, dass Open Source frei sei, antworte ich auch immer, dass wir nicht die Software selbst verkaufen, sondern die Dienstleistung drum herum. Das ist üblicherweise der Moment, wo die Diskussion oft endet oder eben manchmal auch erst beginnt. Wie so oft ist vieles, was zunächst ganz klar erscheint bei genauerem Hinsehen sehr viel komplexer, als man zunächst vermutet hat.

Um sich das Thema etwas zu erschließen, ist es notwendig zu verstehen, wie sich der Markt für Software ganz allgemein in den vergangenen 50 Jahren entwickelt hat. In den 1970-er Jahren fand ein fundamentaler Wandel im Umfeld der Computerindustrie statt. Die führenden Hersteller von Computersystemen, wie zum Beispiel IBM, haben zu dieser Zeit Software als Bestandteil der Hardware betrachtet, deswegen wurde die Software noch nicht einmal als Kostenposition geführt, sondern als unteilbarer Bestandteil des verkauften Systems. Es war vor allem die Leistung von Microsoft, den Fokus von der Gesamtlösung bestehend aus Hardware und Software auf die Software als zentralen Bestandteil der Wertschöpfung zu legen. Natürlich kostete die Hardware selbst weiterhin Geld, jedoch entwickelte Microsoft auf der Basis IBM-PC kompatibler Hardware einen neuen Markt für Software, der fortan eine ganz eigene Dynamik entwickelte und den Bereich kommerzieller Software maßgeblich prägte. Der technologische Wandel in der Bürokommunikation erschuf einen gigantischen, milliardenschweren Markt für Software, der die Wirtschaft der 80-er und 90-er Jahre maßgeblich beeinflusste und auch bis heute weiterhin prägt.

Parallel zu diesem Aufstieg der kommerziellen Softwaregiganten blühte auch weiterhin eine recht rege Szene an Hobbyisten und Interessierten, die selbst Software auf ihren Computersystem programmierten und diese oft im Rahmen von sogenannter Shareware oder manchmal auch einfach frei mit anderen teilten. Es ist vor allem der Enthusiasmus dieser Szene, die mit dem technischen Genius von Linus Torvalds und seiner Mitstreiter eine Bewegung geschaffen haben, die zum größten Software-Player der Neuzeit geworden ist.

Am Anfang war Linux

Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Linus Torvalds bei einem Besuch in der Firma im Jahr 2000, es ging unter anderem um die Frage, ob er all das so geplant hatte und er meinte damals, dass er gar nichts davon auch nur im Ansatz erwartet hätte. Er meinte, er wollte eigentlich nur am Kernel schreiben und da es soviel Arbeit war und ihn eigentlich nur bestimmte Bereiche wirklich interessierten, hatte er gehofft, dass noch ein paar Leute mitmachen würden. Die Dynamik, die sich daraufhin entfaltete, war eine echte Überraschung. Vor allem, nachdem die Szene um die Free Software Foundation angeführt von Richard Stallman die beiden Bereiche zusammenführte und daraus ein an Unix angelehntes und abgeleitetes Projekt wurde. Mit der Größe des Projekts und den Nutzungsmöglichkeiten der Software kamen sehr schnell die Themen auf, wie man sicher stellen könnte, dass Linux „frei“ bleibt und sich gegen kommerzielle Ausbeutung und Trittbrettfahrer wappnet.

Die von der GNU Software Foundation initiierte GNU General Public License war anfangs eine dominante Lizenz, die viele Software-Projekte schlicht übernommen haben. Diese Lizenz regelt im Grunde die grundsätzliche „Freiheit“ der Software im Sinne davon, dass wenn jemand die Software vertreibt, er den Quellcode der Software stets mitliefern muss. Wenn er davon abgeleitete oder darauf aufbauende Software schreibt, muss er diese der Öffentlichkeit ebenfalls unter der GPL Lizenz zur Verfügung stellen. Neben der GPL sind sehr viele andere Open-Source-Lizenzmodelle entstanden, aber die häufigste Bedingung ist, dass alle Erweiterungen auch wieder frei zur Verfügung gestellt werden. Diese Forderung stellt sicher, dass es nicht möglich ist, vorhandene Open Source Software einfach als Grundlage für eigene Entwicklungen zu nutzen und das Ergebnis dann als „Closed Source“ zu vertreiben. Dieser Form der Ausbeutung von Open Source Software wurde also schon früh ein Riegel vorgeschoben. Aber es erscheint doch offensichtlich, dass einige sehr große Unternehmen sehr viel Geld mit Open Source Software verdienen, jedoch kein Geld in die große Gruppe der Open-Source-Entwickler zurückfließen lassen. Hier scheinen Unternehmen direkt von der Arbeit vieler zu profitieren, ohne diese Gruppe daran teil haben zu lassen. Das Verhältnis zwischen der Open-Source-Community und Unternehmen ist an dieser Stelle vielschichtiger und hat sich über die Zeit mehrfach gewandelt.

Die frühen Jahre

Unternehmen, die auf die Open-Source-Szene früh aufmerksam wurden, haben teilweise direkt, oft aber auch indirekt versucht, die in der Szene aufkommenden Talente an sich zu binden und in einen Dialog zu treten. Zum Einen, um vom Können dieser Talente zu profitieren, zum Anderen aber auch um Einfluss auszuüben und die Entwicklung in gewünschte Bahnen zu lenken. Während am Anfang der Open-Source-Bewegung bis in die frühen 2000-er oft nur eine Handvoll besonders prominenter Entwickler eine solche Form der Alimentierung erhielten, vergrößerte sich diese Gruppe mit der wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung von Open Source stetig. Heute kann man davon ausgehen, dass die größte Gruppe der Open-Source-Gemeinde sich in einem Arbeitsverhältnis befindet, in dem sie Open Source Software für die Open-Source-Welt schreiben und dafür von einem Unternehmen als reguläre Angestellte bezahlt werden. Eine Ausbeutung werden vermutlich nur diejenigen hier erkennen, die ganz grundsätzlich ein Problem mit der privaten Wirtschaft und der Beziehung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern haben.

Trotzdem scheint hier noch kein Friede einzukehren. Womit verdienen dann letztendlich Unternehmen diese vielen Millionen? Die Antwort ist recht einfach: Unternehmen, die Open Source Software anbieten, verdienen ihr Geld mit der Dienstleistung für die Software, aber nicht für die Software selbst. Das heißt zum Beispiel im Fall klassischer Linux-Distributoren, dass diese frei verfügbare Linux-Software so zusammenstellen und aufeinander abstimmen, dass diese direkt eingesetzt werden kann. Darüber hinaus bieten diese Distributoren Support und darauf aufsetzende Dienstleistungen an. Diese Form der Wertschöpfung steht jedem offen und die Wahrscheinlichkeit, dass zum Beispiel jemand Beratungsleistungen von einem Open-Source-Entwickler kauft, steigen natürlich signifikant, wenn der Entwickler darstellen kann, dass er wesentliche Teile der Software selbst geschrieben hat. Es steht also im Grunde jedem frei, selbst Dienstleistungen für Open Source Software anzubieten, um damit Geld zu verdienen.
Es sollte eigentlich auf der Hand liegen, dass niemand etwas verkaufen kann, dass frei verfügbar ist. Vermutlich ist niemand bereit für Luft zu bezahlen, wenn er diese einfach frei nutzen kann. Bei Open Source Software ist es jedoch so, dass die Software selbst zwar frei verfügbar ist, aber um sie für einen bestimmten Zweck nutzen zu können, sind oft noch sehr viele Schritte notwendig, die nicht automatisch und frei erbracht werden. Hierzu gehört auch der Aspekt, dass alle, die Open Source Software freiwillig erstellen, selbst bestimmen können, welche Funktionalität sie hinzufügen und welche nicht. Wenn einzelne Unternehmen aber bestimmte Funktionen vermissen, erscheint es sinnvoll, dass sie diese gegen Zahlung von Geld beauftragen.

Ein wachsender Markt

Der Bedarf an Dienstleistungen rund um Software steigt kontinuierlich und die Nachfrage hat mittlerweile einen Multimilliarden-Dollar-Markt weltweit geschaffen. „Software is eating the world“ war eine Feststellung, die der Investor Marc Andreessen in Verbindung mit dem disruptiven Charakter von Software in Bezug auf die Weltwirtschaft im Jahr 2011 getroffen hat. Wenige Jahre später kam Forbes zu dem Ergebnis, dass Software von Softwarediensten vernichtet wird, um dann wiederum später zu verkünden: „Wenn Software die Welt auffrisst, wird Open Source sie zerkaut verschlingen“ Und diese Entwicklung erleben wir gerade. Für viele Software-Entwickler stellt der Topf an Open Source Software eine attraktive Quelle an nützlicher Software bereit, der immer attraktiver wird, je mehr Entwickler etwas beisteuern. Die steigende Attraktivität dieses Pools führt aber auch dazu, dass Unternehmen die Nutzung von Open Source Software aktiv erwägen und mittlerweile selbst befördern. Diese selbstverstärkenden Effekte werden sich weiter auswirken und vermutlich wird die Nutzung von Open Source Software weiterhin weltweit verstärkt zunehmen.

Wie steht es denn nun um das Verhältnis zwischen der Wirtschaft und der Open-Source-Entwickler-Gemeinde? Meine These an dieser Stelle lautet, dass die Ausbreitung von Open Source Software erst durch die Wirtschaft ermöglicht wurde. Durch die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Open Source Software nutzen und erstellen hat sich erst ein Markt ausbilden können. Zunächst eher als Nischenmarkt, aber mit dem zunehmenden Angebot verbreiterte sich der Einsatzzweck und so kommt es zu selbstverstärkenden Effekten: je größer das Angebot an Open Source Software wird, desto größer wird auch wieder die Attraktivität. Wäre die Arbeit an Open Source Software tatsächlich nur von Akteuren betrieben worden, die das als ein Hobby neben Ihrer regulären Tätigkeit betreiben, hätte nie die Menge an Open Source Software entstehen können, die wir heute vorfinden.

Betrachtet man das jetzt rein aus der Perspektive einer einzelnen Open-Source-Entwickler:in, so ergibt sich hier kein unmittelbarer Vorteil, weil es ja möglich wäre, dem Schaffenswunsch in jedem Fall nachzugehen, auch wenn es keinen Open-Source-Markt geben würde. Wenn man jedoch Interesse daran hat, sich bei seinem Interessensgebiet mit Gleichgesinnten auszutauschen, dann ist es von Vorteil, wenn hier zahlenmäßig größere Gemeinschaften entstehen. Plus – und das ist sicher nicht zu unterschätzen – kann das Angebot an zusätzlich verfügbarer Open Source Software dem eigenen Projekt nützen, da man auf die Arbeit anderer aufbauen kann.

Vielfältigkeit und Neutralität

Die Bedeutung von aktiven und produktiven Gemeinschaften haben auch Unternehmen erkannt, die dem Thema Open Source gegenüber nicht offen aufgeschlossen sind, ja sogar grundsätzlich in Opposition dazu stehen. Das Unternehmen Microsoft hat mit dem Kauf der Plattform Github ein Unternehmen gekauft, welches einen der größten Marktplätze und Basare für Open Source Software bereit stellt und auf dem sich Millionen Software-Entwickler tummeln und ihre Projekte einer interessierten Öffentlichkeit präsentieren. In diesem Sinne ist es für eine größere Gruppe von Software-Entwicklern en vogue geworden, ihre Projekte als Open-Source-Projekt zu betreiben. Um auf die eingangs gestellte Frage nochmals zurück zu kommen: „Beutet die Wirtschaft Open-Source-Entwickler nun aus oder nicht?“ muss man eine komplexe Antwort geben. Ja, grundsätzlich erscheint es so, dass viele Open-Source-Entwickler von Unternehmen nicht unmittelbar an Einnahmen beteiligt werden. Aber es ist auch so, dass die Open-Source-Gemeinde durch die Wirtschaft derart vergrößert wurde, dass sie zu einer treibenden und gestaltenden Kraft geworden ist. Man kann sich durchaus mal überlegen, wo das Internet heute wäre, wenn es zum Beispiel so wie früher mehrere Netzverbünde gegeben hätte und man heute sich bei AOL einbuchen müsste und AOL bestimmen würde, welche Angebote dort vorzufinden wären.

Netzneutralität, so wie wir sie heute kennen, wäre ohne Open Source undenkbar und der direkte Nutzen für den Einzelnen und die Wirtschaft ist meiner Meinung nach offensichtlich. Vor diesem Hintergrund finde ich, dass durch jede Open-Source-Entwickler der Wirtschaft und der Gesellschaften ganz allgemein ein wunderbarer Mehrwert entsteht. Open Source lebt auch davon, dass Menschen bereit sind, sich zusammen zu tun, um gemeinsam Open Source Software zu schreiben und erst über Umwege einen großen Gegenwert zu bekommen. Ich persönlich – und ich denke, hier liegt auch die große Schnittmenge – bin davon überzeugt, dass es gut und sinnvoll ist, dass Open Source Software zum weltweiten Standard wird. Wir auf der Seite der Open Source Software-Wirtschaft arbeiten daran, dass wir die weltanschaulichen Ziele der weltweiten Open-Source-Community wie digitale Souveränität, Transparenz und Zusammenarbeit in unseren Herzen tragen, fördern und in die Welt bringen.

Open Source und Gerechtigkeit

Anke Pawla
Mitglied des Vorstands der OSB Alliance
Kopano GmbH

Ich denke, wir sind uns alle einig: Open Source ist in vielerlei Hinsicht besser als Closed Source – also Quellcode, den nur die Autor:innen kennen und Software, die ohne diese nicht weiterentwickelt oder geändert werden kann. Das Bild der Gerechtigkeit ist beim kommerziellen Umgang mit Closed Source jedoch eindeutiger: Jemand schafft etwas und verkauft es. Die, die erschaffen sind also auch die Wertschöpfer. Doch wie ist das bei Open Source Software, an der auch Menschen in ihrer Freizeit mitarbeiten und deren Arbeitsleistung nicht automatisch auch entlohnt wird?
Hier eine kurze Anmerkung: Ob und zu welchen Anteilen unbezahlte Arbeiten von Leuten in ihrer Freizeit in Closed Source Software stecken, ist mühsam herauszufinden. In diesem Beitrag konzentriere ich mich aber auf die Frage, ob es fair und gerecht ist, wenn Firmen Open Source Software verkaufen.

Lizenzen und Gewährleistungen

Es gibt viele verschiedene Open-Source-Lizenzen. Alle definieren, was mit dem lizenzierten Code gemacht werden darf. Nach einigen Lizenzen darf dieser uneingeschränkt genutzt werden, sofern das Endprodukt wieder unter derselben Lizenz allen zur Verfügung steht, andere Lizenzen schränken das Recht der Nutzung ein. Die ursprünglichen Autor:innen entscheiden, unter welcher Lizenz sie ihre Software der Welt zur Verfügung stellen.

Verkauft eine Firma etwas, so übernimmt sie eine Gewährleistung. Treten bei einem Kunden der Firma Fehler auf oder werden Sicherheitslücken gefunden, so ist es die Aufgabe der Firma, die die Software verkauft hat, diese Fehler zu beheben. Entweder sie entlohnt dann die ursprünglichen Entwickler:innen, damit diese die Arbeit machen, oder sie macht es selbst im Rahmen der Lizenz des Quellcodes. Letzteres bedeutet, dass die Qualität der Software verbessert wird.

Geschäftsmodelle

Ist es eigentlich fair, wenn eine Firma Open Source Software verkauft? In den meisten Fällen ist das fair, ja. Exemplarisch können wir uns ja einmal drei Beispiele ansehen: Eine Firma A verkauft die von ihr selbst entwickelte Open Source Software und eine Firma B verkauft eine Hardware, die Open Source Software nutzt. Ich glaube, bei Firma A ist das Bild eindeutig: Es ist ja die eigene Software, die verkauft wird. Man ist also selbst der Urheber und bietet Dienste, wie die Gewährleistung oder technischen Support zu der eigenen Software an.

Prominent sind im Falle der Firma B die Hersteller von Internet-Routern, die auf ihrer Hardware Open Source Software nutzen. Geben diese, die von ihnen genutzte und in den meisten Fällen angepasste Software, wieder allen Open Source zur Verfügung, so ist das durchaus fair: Die Urheber der Open Source Software profitieren auch von der Arbeit, die die Firma B am Quellcode ausführt, um deren Produkt gut am Markt platzieren zu können. Exakt so verhält es sich auch mit den kommerziellen Anbietern von Linux-Distributionen.

Warum überhaupt Open Source Software verkaufen?

Diese Frage begleitet mich schon lange in meinem beruflichen Leben. Und es schließen sich Folgefragen an: Ist es fair den Entwicklern gegenüber, wenn ich als Dienstleister Open Source Software bei einem meiner Kunden installiere, ohne dass dieser die Entwickler:innen entlohnt? Ist Open Source billiger als andere Software? Kann ich in meiner Organisation guten Gewissens Open Source Software einsetzen?
Wenn ich als Dienstleister bei einem Kunden Open Source Software implementiere, dann hat der Kunde bei mir ein Recht auf Gewährleistung. Ich kann dann guten Gewissens meine Arbeit beim Kunden in Rechnung stellen. Wenn durch den Einsatz der von mir implementierten Software Fehler auftreten, dann bin ich diejenige, die dem Kunden helfen muss. Mit den Entwickler:innen der Software ist der Kunde keine Geschäftsbeziehung eingegangen.

Ist weißer Joghurt billiger als roter? Blöde Frage. Genauso wie die Farbe des Joghurts ist auch Open Source eine Eigenschaft einer Software. Ob diese deswegen billiger oder teurer ist, das ist mit dieser Eigenschaft noch lang nicht gesagt. Wichtig ist zu verstehen, dass bei Open Source Software die Wertschöpfungskette eine andere ist. Für Closed Source Software wird eine Lizenzdatei oder ein Dongle benötigt, bei Open Source Software muss ich wissen, wo bei technischen Fragen und Problemen Hilfe zu bekommen ist. Die andere Wertschöpfungskette ist es dann auch, die ich als Organisation, die Open Source Software einsetzt, verinnerlichen muss. Wenn ich auf Open-Source-Projekte – also die Software, die nicht von einer Firma sondern „der Community“ entwickelt wird – baue, dann muss ich meine geänderten Abhängigkeiten genau betrachten. Mein Vorteil ist, dass ich nicht am Tropf einer einzigen Firma hänge und somit deutlich mehr Kontrolle habe. Diese muss ich aber auch verantwortungsvoll ausüben. Wenn in meiner IT-Abteilung Mitarbeiter:innen die Verantwortung für den jeweiligen Open-Source-basierten Dienst übernehmen, dann sollte ich verstehen, wie weit diese tatsächlich eingreifen können. An wen wende ich mich im Notfall oder wenn mich wichtige Mitarbeiter:innen verlassen? Genau dafür bieten viele Firmen ihre Dienste an. Diese sind dann mit Subskriptions- oder Serviceverträgen mein Netz und doppelter Boden. Oder sie übernehmen diese Aufgaben sogar direkt für mich.

Geld und Fairness

Open Source einzusetzen, um Geld zu sparen, empfinde ich aus Prinzip als die falsche Herangehensweise. Open Source gibt mir die Freiheit, Anbieter und Dienstleister zu wechseln, ohne gleichzeitig komplexe Migrationsszenarien planen oder den Verlust von Wissen und Daten in Kauf nehmen zu müssen. Und natürlich gibt mir der Markt aus verschiedenen Anbietern im selben Bereich die Möglichkeit, auch nach dem günstigsten Angebot zu suchen. Bei nur einem Anbieter habe ich diesen Verhandlungsspielraum nicht.

Vielleicht ist die Situation aber für ein Beispiel, wie die öffentliche Verwaltung anders? Hier kann ich mir die Frage stellen: Warum sollte die öffentliche Verwaltung quelloffene Software einsetzen? Wann auch immer ich in Gesprächen, Diskussionen oder Angebotsrunden bezüglich dem Thema Open Source vertreten war, wurde mir immer das Kostenargument entgegen geschmettert: Open Source ist billiger. Das halte ich wie gesagt für falsch. Open Source ist nicht billiger, die Wertschöpfungskette ist anders und die technische Sichtweise deutlich sinnvoller.

In meinen Augen muss gerade in Verwaltungen und Regierungen an Stellen mit kritischem Datenfluss zwingend ausschließlich Open Source Software eingesetzt werden. Denn nur diese Software ermöglicht es Dritten ganz genau zu analysieren, ob wirklich das – und zwar nur das – passiert, was auch passieren soll. Es wäre ja fatal, wenn der Mailserver Informationen über einen anderen Kanal an eine fremde Stelle schicken würde oder eine Lücke in einem Service den Zugang zu Diensten ermöglicht.

Fehler in Software gibt es immer. Als verantwortungsbewusste Organisation muss ich aber mindestens nach dem Auftreten eines kritischen Fehlers prüfen können, ob dieser gut genug behoben wurde. Eine bewusste Lücke könnte sonst einfach nur an eine andere Stelle verschoben worden sein. Für diese Prüfung bedarf es unabhängiger Experten und diese Experten müssen den Quellcode nebst der daran durchgeführten Änderungen inspizieren können. Und genau das geht nur dann verlässlich, wenn der Quellcode allen zugänglich ist.

Wie fair das alles ist, das entscheidet sich in jedem einzelnen Glied der Wertschöpfungskette. Jemand muss verstehen, wo der Code letztendlich herkommt. Für die Nutzung von LibreOffice oder Ubuntu muss keiner etwas bezahlen, aber es steht den Endkunden und auch den Dienstleistern natürlich gut, die von solchen Projekten gern empfangenen Spenden auch zu geben. Auch kleine Projekte bieten häufig die Möglichkeit, ein „Dankeschön“ zu empfangen. Open Source heißt Freiheit. Und mit dieser Freiheit kommt auch eine Verantwortung. Allein die Verantwortung für die von uns angebotenen Dienste zeigt uns auf, von welchen Projekten wir abhängen. Wenn wir die Verantwortung ausleben und die Abhängigkeiten erkennen, dann sollten wir uns auch für die Arbeit der Entwickler:innen hinter den Projekten erkenntlich zeigen. So kann dieses Ecosystem funktionieren.

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