SPD, FDP und die Grünen haben am gestrigen Mittwoch ihren Koalitionsvertrag vorgestellt. Welche Rolle spielt der Einsatz von Open Source Technologie bei den Digitalisierungsplänen der neuen Regierung? Die Experten der Open Source Business Alliance haben den Koalitionsvertrag geprüft.

Wir begrüßen sehr, dass Open Source Software und offene Standards in dem gestern vorgelegten Koalitionsvertrag einen so hohen Stellenwert bekommen haben. Das ist ein klares und sehr positives Aufbruchssignal für eine andere, bessere Digitalisierung von Staat und Verwaltung. Und es ist natürlich auch ein Erfolg unserer Aufklärungs- und Kommunikationsarbeit der letzten Jahre sowie im Umfeld der Bildung der neuen Regierung. Die Koalitionäre wollen in Gesetzgebungsverfahren und aus dem Parlament heraus den Dialog weiter stärken und Vertreter aus der Praxis früher einbinden. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit dem neuen Parlament und der Regierung und stehen als Partner für Gespräche und Experten für digitale Souveränität und Open Source weiterhin gerne zur Verfügung.

Einige Passagen im Koalitionsvertrag sind weich formuliert und wir sind gespannt, wie sich diese im Einzelnen in der nächsten Zeit ausgestalten. Der Personalmangel trifft alle Bereiche unserer Wirtschaft und wir freuen uns darüber, dass die neue Regierung plant, durch verbesserte Digitalbildung und eine Modernisierung der Einwanderung zu unterstützen und wichtige Signale zu setzen. Für weniger positiv schätzen wir ein, dass der Koalitionsvertrag nur bei Software, die vom Staat neu entwickelt wird, auf Open Source Software setzt. Bei zu beschaffender, bereits existierender Software gibt es hier keine Aussage und zumindest an dieser Stelle keine Bevorzugung von Open Source Software gegenüber proprietärer Software (bei ansonsten vergleichbaren Eigenschaften).

Weitere wichtige Punkte:

• Die Digitale Souveränität wird im gesamt-europäischen Kontext betrachtet. Das ist erfreulich und verdeutlicht eine zukunftsorientierte Politik. Unter Digitaler Souveränität verstehen wir, dass der deutsche Staat und die EU in ihren Entscheidungen frei und handlungsfähig bleiben müssen. Wir wünschen uns daher von der neuen Regierung richtungsweisende Maßnahmen, die einen offenen Austausch von Daten und eine Wahlfreiheit beim Einsatz von Technologien und Produkten ermöglichen.

• Das klare Bekenntnis zu Open Source und dem Prinzip „Public Money, Public Code“ ist ein Vorhaben, das uns sehr freut und das wir sehr begrüßen. Mit öffentlichen Geldern finanzierte Entwicklungen müssen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Auch die Forderung nach offenen Schnittstellen zum Austausch von Daten zwischen Bund und Ländern oder über Ressorts hinweg entspricht unseren Wünschen an einen souveränen und modernen Staat.

• Ein unabhängigeres und gestärktes Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) als zentrale IT Sicherheitsbehörde ist ein guter und zukunftsweisender Schritt. Die Formulierung „Nicht-vertrauenswürdige Unternehmen werden beim Ausbau kritischer Infrastrukturen nicht beteiligt“ birgt einen wichtigen Ansatz, auch wenn er vielleicht gar nicht so gemeint ist. Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass proprietäre, geschlossene, also nicht überprüfbare Software nicht vertrauenswürdig ist. Nur durch Offenlegung von Code und Funktionalität kann Vertrauen in die Sicherheit erreicht werden, wie das Beispiel Corona Warn App deutlich gezeigt hat. Dieser Satz bedeutet also im Umkehrschluss, dass die neue Regierung proprietäre Software beim Ausbau kritischer Infrastrukturen ausschliessen sollte.

• Nachhaltigkeit in der Digitalisierung: Ein wichtiges Thema und der Schulterschluss zwischen Klimapolitik und Digitalisierung ist folgerichtig und an vielen Stellen zu beobachten. Wir begrüßen ausdrücklich den Plan der Regierung, Klimazertifizierungen für digitale Produkte zu fordern und unterstützen bei der Erstellung der entsprechenden Richtlinien. Die Abschaffung der digitalen Obsoleszenz, also der Tatsache, dass Geräte durch fehlende Updates oder steigende Hardwareanforderungen bei neuen Betriebssystemen unbrauchbar werden, begrüßen wir sehr. Flexible, modulare und offene Betriebssysteme laufen heute gut und schnell auch auf älteren Geräten und durch deren Einsatz kann die Nutzungsdauer bei Anwendern und in Rechenzentren erheblich verlängert werden.

Peter Ganten, Vorstandsvorsitzender der Open Source Business Alliance:
„Der Koalitionsvertrag ist ein gutes, kraftvolles Signal für den Aufbruch zu einer neuen und besseren Digitalisierung von Staat und Verwaltung. Gleichzeitig zeigt er wichtige Chancen für die Stärkung der digitalen Souveränität Europas und einer schlagkräftigen europäischen Digitalwirtschaft auf. Vieles bleibt naturgemäß aber noch unklar und in einigen Bereichen hätten wir uns noch mutigere Entscheidungen gewünscht. Deswegen kommt es jetzt auf eine schnelle und engagierte Ausgestaltung und Umsetzung an, die wir als OSB Alliance sehr gerne mit Rat und Tat unterstützen wollen!“