Stellst Du Dich und Dein Unternehmen kurz vor?

Ich bin Frank Karlitschek, ein langjähriger Open Source- und Datenschutzaktivist und Gründer von Nextcloud. Nextcloud ist Marktführer für Vor-Ort Content Collaboration Plattformen.

Eine „Content Collaboration Platform“ ist eine Softwarelösung, die es Teams ermöglicht, an Inhalten gemeinsam zu arbeiten. Sie integriert Funktionen wie Dateisynchronisieren und -teilen, Video-Chat, Dokumentenbearbeitung in Echtzeit, Planungswerkzeuge wie Aufgaben- oder Kalenderverwaltung, Mind Mapping und so weiter. Noch wichtiger ist aber, dass die Plattform diese Funktionen plattformübergreifend zur Verfügung stellt, also auch auf dem Handy oder Tablet.

Zu den über 300 Kunden von Nextcloud gehören Unternehmen wie SIEMENS und Raiffeisen, Regierungen einschließlich der deutschen und französischen Bundesregierung oder Städte wie Genf und viele Universitäten und Forschungsinstitute auf der ganzen Welt.

Warum bist du der Meinung, dass Open Source wichtig ist?

Die größte Herausforderung, der wir auf allen Ebenen unserer Gesellschaft gegenüberstehen, ist der Schutz unserer digitalen Souveränität. Das betrifft jeden einzelnen Bürger ebenso wie die Unternehmens- und Regierungsebene. Momentan verlieren wir nämlich die Kontrolle über unsere Daten.

Für den Einzelnen bedeutet es, dass seine Daten missbraucht werden, sowohl von Unternehmen, die mehr Geld verdienen wollen durch zielgruppengenaue Werbemaßnahmen oder durch andere spezielle Angebote (wie Versicherungen oder Unternehmen der Gesundheitsbranche) als auch von böswilligen Akteuren.
Für Unternehmen bedeutet es, dass ihre Geheimnisse nach außen dringen. Es bedeutet auch rechtliche Bedrohungen –  denn die Privatsphäre wird ernst genommen und Geldbußen für Datenlecks sind entsprechend hoch. Und nicht zuletzt besteht das Risiko, dass Anbieter von Produkten und Dienstleistungen ihre Macht missbrauchen, um die Preise zu erhöhen oder sogar Daten-Geiseln zu halten.

Für Regierungen ist Open Source ein Weg, um die lokale Wirtschaft zu stimulieren, Geldabflüsse ins Ausland zu verringern und lokale Kompetenzen aufzubauen. Aber es geht weit über die IT-Branche hinaus: Es bedeutet ein großes, grundlegendes Risiko, die Kontrolle über digitale Infrastrukturen zu verlieren, von denen unsere modernen Volkswirtschaften abhängig sind.

Nehmen wir ein einfaches Beispiel. Booking.com ist zu einer Website geworden, die du nicht ignorieren kannst, wenn du ein Hotel hast. Dann musst du da vertreten sein. Das bedeutet, dass du etwa ein Drittel deiner Einnahmen an Dritte gibst! Stell dir vor, die deutsche Automobilindustrie wäre in der gleichen Situation wie Unternehmen wie Uber! Die Margen wären unter enormem Druck und Einkommen, Gehälter und Investitionen in Innovationen würden stark sinken.

Die IT-Branche bewegt sich in eine gefährliche Richtung und Open Source ist eines der stärksten Instrumente, das wir haben, um unsere digitale Unabhängigkeit zu schützen.

Warum unterstützt ihr das Fokusprojekt „Public Sector“?

Historisch gesehen haben es die Regierungen schwer, die IT-Branche zu verstehen und zu lenken. Zum Teil wegen der schnelllebigen, komplizierten Technologie, aber auch aufgrund mangelnder guter Kommunikation.

Das Projekt ist ein Versuch der Open Source-Unternehmen in Deutschland, unsere Kommunikation zu verbessern. Das ist angesichts der von mir bereits erwähnten Risiken wichtig. Europäische und insbesondere deutsche Unternehmen entwickeln großartige Lösungen, aber große US Tech-Unternehmen sind traditionell in der Lage, die Politik zu beeinflussen. Das führt dazu, dass EU Technologieunternehmen Schwierigkeiten haben, ihre Lösungen zu verkaufen, obwohl sie oft genauso gut oder sogar besser sind. Nextcloud hat dabei schon etwas Erfolg gehabt, aber in diesem Bereich bedarf es viel mehr Kommunikation, um Politikern zu erklären, dass nicht nur Microsoft Software entwickeln kann, die unsere Regierung braucht, um arbeiten zu können.

Welche Themen sind euch bei der Ansprache der Politik wichtig?

Zwei Dinge.

Erstens ist die Zusammenarbeit mit den IT-Unternehmen in der EU aus strategischen und wirtschaftlichen Gründen wichtig. Die EU riskiert ihre wirtschaftliche Zukunft in allen Bereichen, nicht nur in High Tech-Bereichen und IT, sondern auch Produktion und Landwirtschaft, wenn wir die Kontrolle über die Kanäle verlieren, über die die Produkte verkauft werden.

Zweitens, auch wenn man die strategische und langfristige Wirtschaftspolitik beiseite lässt, gibt es aktuell schon großartige Lösungen, die nicht in Betracht gezogen werden, nur weil sie nicht von einer großen amerikanischen Firma verkauft werden. Das ist sehr bedauerlich.

Wir können und sollten es besser machen.

Fokusprojekt Public Sector der OSB Alliance