Die niedersächsische Finanzverwaltung soll, so will es der Koalitionsvertrag von CDU und SPD, von Linux auf Windows umsteigen. Dagegen gibt es eine kuriose Klage. Von Ludger Schmitz*

„Bildung einer kriminellen Vereinigung mit dem Ziel des Landesverrats“. Karnevals-Klamauck, habe ich gedacht, oder morgen, übermorgen kommt ein Dementi. Kam aber nicht. Das Zitat scheint tatsächlich der erste Punkt einer Klage von Axel Braun, Geschäftsführer des Düsseldorfer Beratungsunternehmens Axxite, zu sein. Außerdem noch „Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)“ und „Verschwendung von Steuermitteln“.

Angeklagt ist die niedersächsische Landesregierung, weil sie in diesem Jahr damit beginnt, einen Großteil der IT der Landesfinanzverwaltung von Suse-Linux auf Windows umzustellen. Wie weit dies geht ist unklar. Es dürfte um mehr gehen als rund 12.000 PC-Arbeitsplätze, sondern auch um den Kern des Server-Betriebs. Ebenso unklar sind die Kosten der Migration, die Kosten des künftigen Betriebs samt Wartung – ebenso wie die Betriebskosten der bisherigen Linux-basierenden Lösung samt ihrer Anwendungen. Befremdlich, dass ausgerechnet das Finanzministerium solche Zahlen nicht nennen kann oder mag. Hier sei nur verwiesen auf die lesenswerte Recherche von Heise-Redakteur Mirko Dölle.

Die Rede ist lediglich diffus von „Skalen- und Synergieeffekten“. Dahinter steht, dass Niedersachsen die IT der Finanzämter outsourcen will. Das erklärte Vorbild sind nämlich die Länder Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Die arbeiten mit einem norddeutschen IT-Dienstleister (Dataport?) zusammen. Und zu dem möchte auch Niedersachsen wegen der „Skalen- und Synergieeffekte“ die Finanz-IT verlagern.

Genau das ist der Haken an der Sache. Wenn das zutrifft, hat es nämlich keine Ausschreibung gegeben, weder für eine Erneuerung der IT im Eigenbetrieb noch für ein Outsourcing. Und das ist eine klare Verletzung des Vergaberechts. Insofern geht die Klage völlig an der Sache vorbei. Nicht von ungefähr meint ja selbst der Anwalt des Klägers nicht einmal, dass die Staatsanwaltschaft sich damit beschäftigen wird. Und wenn, wie zu erwarten, das passiert wäre es eine Ermunterung für die Windows-Apologeten in der öffentlichen Verwaltung. Diese absurde Klage könnte der Open Source-Sache Schaden zufügen.

Dass den niedersächsischen Behörden mit ihrem Migrationsbeschluss – er steht schon im Koalitionsvertrag von CDU und SPD (!) – unwohl ist, lässt sich nicht übersehen. Mirko Dölle beschreibt im Detail, wie sich verschiedene Hannoversche Ministerien und die Staatskanzlei unwissend stellen und den Schwarzen Peter hin und her schieben. Dieses Verhalten spricht schon für sich. Aber CDU und SPD können sich Staatsverdrossenheit und das miserable Image der Politik einfach nicht erklären? Und wenn der Landesrechnungshof eines Tage meckert, sind leider die Fakten geschaffen, jede andere Lösung natürlich viel zu teuer…

Also sollte es jetzt etwas zügig gehen: 1. Herr Braun, ziehen Sie Ihre Klage zurück, auch wenn am zweiten und dritten Punkt vermutlich was dran ist. 2. Wer verklagt die niedersächsische Regierung wegen Verletzung des Vergaberechts?

*Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist in Kelheim.