Spitzlmarkt - Foto: Ludger Schmitz, CC BY-NC 3.0

Angst vor Terror wird konservativen Kreisen zum Argument, den Datenschutz aufzuweichen, Verschlüsselung zu unterlaufen und Hintertürchen in der Software zu legitimieren.
* Von Ludger Schmitz

Das durch Edward Snowden bekannt gewordene Ausmaß der Überwachung und Bespitzelung von Bürgern wie Unternehmen hat schockiert. In der IT hat es einerseits dem Cloud Computing geschadet, andererseits Datenschutz, Verschlüsselung und Open Source Auftrieb gegeben. Es war eine Frage der Zeit, wann der Gegenschlag kommen würde. Die Zeit ist offenbar gekommen. Konservativen Kräften sehen in der Angst vor Terror anscheinend einen Hebel, das Ruder umzukehren.

In Frankreich haben die Pariser Terroranschläge vom November letzten Jahres tiefe Spuren hinterlassen

Hier sahen Gesetzesvorlagen schon vor, das Tor-Netzwerk zu blockieren und während des Ausnahmezustands offene WLANS zu verbieten. Nun hat, so meldet pro-linux.de, die konservative, republikanische Abgeordnete Nathalie Kosciusko-Morizet draufgelegt. Sie brachte einen Änderungsantrag zum Gesetzesentwurf „Digital Republic“ ein, der Hardwarehersteller verpflichten sollte, den Behörden offene Hintertüren einzubauen, und auf staatliche Anforderung die Herausgabe kryptografischer Schlüssel verlangte.

Die französische Regierung hat den Vorstoß zurückgewiesen. Das Gesetzespaket Digital Republic solle die digitalen Rechte von Bürgern und Unternehmen schützen. Dafür soll er wie vorgesehen Netzneutralität, Datenschutz und offenen Standards im Cloud Computing verankern. Hintertüren in IT-Geräten seien keine Parallele zu Hausdurchsuchungen. Außerdem könnten Hacker sie entdecken und ausnutzen.

Interessanterweise spielte in der Argumentation der Regierung ein Beispiel aus den Niederlanden eine Rolle. Dort hat sich nach einer Meldung von Heise.de die Regierung in einem Positionspapier von Wirtschaftsminister Kamp und Justizminister van der Steur gegen staatliche Hintertüren in Kryptoverfahren ausgesprochen. Verschlüsselung sei zum Schutz der Privatspäre so wichtig, dass ihr Vorrang vor anderen Bedenken gebühre. Bereits zuvor hatte die Regierung dem OpenSSL-Projekt eine halbe Million Euro Zuschuss gewährt.

Wir werden wohl nicht lange warten müssen, bis in Deutschland konservative Politikkreise ähnliche Forderungen stellen wie ihre Parteifreunde in Paris. Die parlamentarische Aufklärung der IT-Spionage ist ohnehin schon blockiert. Deutsche Nachrichtendienste ziehen nach der Aufdeckung ihrer willigen Zusammenarbeit mit US-Spionen nicht etwa die Schlapphüte ein, sondern fordern mehr Rechte zur Bespitzelung – ohne auf entschiedene Ablehnung der Regierung zu stoßen. Noch traut sich keiner so richtig aus der Deckung.

Noch heißt es „nur“, unser „überzogener Datenschutz“ stehe einer florierenden deutschen IT-Industrie im Wege.

Gesagt hat es Jens Spahn, parlamentarischer Staatsekretär im Bundesfinanzministerium, soeben auf der „Digital Life Design Conference“ in München. Dem ist es egal, dass die halbe Welt unsere Datenschutzgesetzgebung für vorbildlich hält. Es sind gerade die Sorgen um den Schutz ihrer Daten, die Unternehmen vor Cloud Computing zurückschrecken lässt. Vertrauen in die Sicherheit wird es nur geben, wenn sie nachprüfbar ist. Und das geht nun einmal nur mit Open Source.

*Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist in Kelheim.