Nach 30 Jahren als IT-Journalist gilt man als alter Hase – in meiner Lieblingsthematik bin ich eher ein gebratener alter Hase. Denn mein erster Kontakt mit Open Source war recht schmerzhaft. An einem herrlichen Sommerwochenende lag ich 1997 am Starnberger See und hatte mir als Lektüre das englische Manuskript von „The Cathedral and the Bazaar“ von Eric Raymond mitgenommen. Das war dermaßen spannend, dass ich Abkühlung im See vergessen habe. Am Abend hatte ich einen kolossalen Sonnenbrand.

Die Lektüre war meine erste Begegnung mit kooperativer Software-Entwicklung auf Open Source-Basis. Das Modell hat mich von Anfang an fasziniert. Ich war sofort überzeugt, dass so die Zukunft der Software-Programmierung aussehen wird. Ab diesem Moment habe ich versucht, Open Source zum Thema in der „Computerwoche“ zu machen, wo ich damals leitender Redakteur im Ressort Software war. Das hieß, quasi „bei Adam und Eva“ anzufangen, zum Beispiel mit Erklärstücken über die GPL oder über das Geschäftsmodell der frühen Open Source-Unternehmen.

Bekanntlich gilt der Prophet im eigenen Lande nicht viel. Mein verlagsinterner Verbesserungsvorschlag, die Redakteursarbeitsplätze von Microsoft auf Suse-Linux plus OpenOffice und diverse andere Open Source-Software umzustellen, traf auf ein Gegenargument vom User Support: Das würde dort die Arbeitsstellen gefährden, weil Open Source weniger fehlerträchtig ist. Mein damaliger Chefredakteur bot die Wette an, Linux werde immer ein Nischen-Betriebssystem für Webserver bleiben. Ich habe mich noch jahrelang geärgert, das nur fassungslos vernommen und nicht jede Wette angenommen zu haben.

2008 habe dann auch ich in der x-ten Entlassungswelle bei der Computerwoche meinen Job verloren, und ich konnte, mehr als 50 Jahre alt, mich nur noch als freiberuflicher Journalist durchschlagen. Für mich stand fest, dass ich mich dabei auf meinen Schwerpunkt Open Source spezialisieren würde. Und das hat auch zu 90 Prozent geklappt, entgegen den Ratschlägen aller (Ex-)Kollegen, Arbeitsamtsberater und eigenen Erwartungen.

Zugleich konnte ich die betonte Neutralität eines Redakteurs fallen lassen: Ich bin also in den Linux-Verband (LIVE) eingetreten. Das brachte nun keineswegs durchweg positive Erfahrungen. Mitgliederversammlungen mit rund zehn Personen hatte ich nicht erwartet. Es herrschte Rätselraten darüber, wie sich mehr Mitglieder und mehr Engagement gewinnen ließen. Diese Situation stand in einem merkwürdigen Widerspruch dazu, dass Open Source-Software immer mehr Verbreitung fand. Aber der Hype war vergangen. Das zeigte sich kurze Zeit später auch im Niedergang des LinuxTags. Gartner-Marktforscher hätten wohl vom „Berg überzogener Erwartungen“ und dem folgenden „Tal der Desillusionierung“ gesprochen.

Um diese Zeit bestanden noch zwei weitere Vereine. In Stuttgart war die „Linux Solutions Group“ (Lisog) sehr aktiv. 2011 schlossen sich LIVE und Lisog zur Open Source Business Alliance (OSB Alliance) zusammen. Die „Open Source Business Foundation“ (OSBF) machte hingegen den Doppelfehler, erstens eine Vereinigung mit der OSB Alliance im letzten Moment unter fadenscheinigen Gründen abzusagen und sich dann mit der Orientierung auf Open Allerlei ins IT-politische Abseits zu manövrieren.

Die OSB Alliance hingegen entwickelte alsbald sehr viel Dynamik. Es gab genug Mitglieder, dass sich Working Groups bilden konnten, die tatsächlich funktionierten. Ich habe beispielsweise in der WG Marketing eine Menge über die Denke der Leute gelernt, mit denen Redakteure es oft zu tun kriegen, und umgekehrt ein wenig von den Anforderungen auf Seiten der Redaktionen berichten können. Der Austausch hat meine Meinung geprägt, dass Open Source-Business gegenüber den Kunden und der Öffentlichkeit auch offener sein muss als herkömmliches, proprietäres IT-Business.

Das alte Problem, auf der Presseseite einfach nicht als ein besonderer, nämlich zukunftsträchtiger Teil der IT-Industrie wahrgenommen zu werden, hat sich in acht Jahren OSB Alliance nicht erledigt. Aber die Situation hat sich deutlich verbessert. Open Source ist nicht mehr ein Begriff, den nur die IT-Presse versteht. Inzwischen finden sich immer häufiger auch in branchenfremden Publikationen und in der überregionalen Tagespresse gute Beiträge, die unsere Positionen und Erklärungen aufgreifen. Open Source wird zwar kein Tagesthema, aber die Berichterstattung wird noch zunehmen.

Denn inzwischen erhalten wir Unterstützung von einer Seite, von der wir bei der OSB Alliance-Gründung nur träumen konnten: Es ist durch konsequente Arbeit schrittweise gelungen, sehr gute Kontakte in die demokratischen Parteien sowie in Regierungsbehörden auf Bundes-, Landes- und EU-Ebene aufzubauen. Ohne im Blog darüber schreiben zu können, erzähle ich hier nicht zu viel, wenn ich feststelle, dass durch wahnsinnig viel persönliches Engagement vor allem auf Vorstandsebene und mit unserer Berliner Repräsentanz unsere Stimme inzwischen Gewicht hat. Ein tragfähiges Fundament für mehr ist gelegt; das wird sich in den nächsten Jahren noch zeigen. Ich möchte darauf verzichten, Einzelpersonen aus der OSB Alliance hervorzuheben, weil ich dadurch nicht das Engagement anderer abwerten möchte.

Wir haben in den letzten Jahren Niederlagen erlebt, besonders schmerzhaft war das Scheitern der Linux-Orientierung in München. Aber wir haben zum einen auch die Fehler der einstigen „Leuchtturm-Projekte“ diskutiert und daraus gelernt. Zum anderen kann von einem „Rollback“ zum Proprietären, Einzelfälle wird es immer wieder mal geben, keine Rede mehr sein. Schleswig-Holstein und Thüringen stehen als Beispiele für eine neuerliche Wende in Richtung Open Source. Nicht zu unterschätzen ist der zunehmende Druck auf die IT-Dienstleister von Bund, Ländern und Kommunen und von Seiten der Rechnungshöfe. Dass sich inzwischen sogar die CDU den Forderungen der FSFE-Kampagne „Public Money, Public Code“ angeschlossen hat, zeigt wie sich das IT-politische Klima verändert hat.

Ich bin durchaus stolz, bei dieser Entwicklung dabei gewesen zu sein. Jetzt bin ich in Rente und höre auf, hier Blog-Beiträge zu schreiben. Es war mir eine Ehre, eine so prominente Position wahrzunehmen. Ich danke dafür und für die vielen thematischen Anregungen. Es spricht für die OSB Alliance, dass man mir nie reingeredet oder Beiträge zensiert hat, obwohl ich sicherlich mit einigen krassen Formulierungen diplomatischeren Mitstreitern Knüppel zwischen die Beine geworfen habe. Auch dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken. Denn das ist nicht einmal in Redaktionen selbstverständlich.

Ich kann nur alle Mitglieder ermutigen, den Blog auch selbst zu nutzen. Selbst wenn die Beiträge außerhalb der Mitgliedschaft niemand lesen sollte, sind sie ein Bestandteil der Meinungsbildung im Verein und dienen der notwendigen ständigen Weiterentwicklung unserer Positionen. In den nächsten Tagen konstituiert sich in der OSB Alliance die Taskforce Kommunikation. Ich bin sicher, dass dieses Team die Aktivitäten des Verbands noch besser in die Öffentlichkeit bringen wird.

Seit Schülertagen bin ich ein Fan von Canned Heat – kennt noch jemand außer mir diese Rock-Blues-Band? Ihr Boogie „Let‘s work together“ fängt so an:

„Together we stand, divided we fall
Come on now people, let’s get on the ball and work together
Come on, come on let’s work together, now now people
Because together we will stand, every boy every girl and a man

Before when things go wrong, as they sometimes will
And the road you travel, it stays all uphill
Let’s work together, come on, come on, let’s work together
You know together we will stand, every boy, girl, woman and a man“

Ich wünsche euch weiterhin viel Erfolg – in der Open Source Business Alliance, in euren Unternehmen und Organisationen sowie privat! Ich werde die Entwicklung der OSB Alliance und von Open Source auch weiterhin interessiert verfolgen.

l.schmitz@open-it-presse.de