Bild: Neues, weitergehendes Motto der OpenStack Foundation?

Bild: Neues, weitergehendes Motto der OpenStack Foundation?

Dass eine Medaille zwei Seiten hat und die nicht unbedingt beide glänzen, kann man gerade an der OpenStack erfahren. Hier Erfolgszahlen, dort das Gegenteil, auf der einen Seite neue Perspektiven, andererseits irritierende Entwicklungen. Von Ludger Schmitz*

Würden Teilnehmerzahlen an zentralen Veranstaltungen das Interesse der IT-Anwender an einer Lösung widerspiegeln, wäre OpenStack auf dem absteigenden Ast oder zumindest in einer Phase der Ernüchterung, wie Gartner das nennen würde. 2600 Besucher auf dem OpenStack Summit 2018 im Mai 2018 in Vancouver sind kaum mehr als in Sydney, was fernab der heißesten IT-Märkte dieser Welt liegt. Und es sind nur noch wenig mehr als die Hälfte der Besucherzahlen des Kongresses von Boston vor einem Jahr. Dass der Entwicklerkongress abgetrennt war, macht die Zahlen nicht wesentlich besser.

Demstehen Angaben der OpenStack Foundation gegenüber, wonach die Verbreitung des Open-Cloud-Frameworks 2016 bis 2017 um 95 Prozent zugenommen hat. Derzeit laufen mehr als zehn Millionen CPU-Kernel mit OpenStack. Analysten sagen OpenStack für die nächste Zeit ein Wachstum von rund zehn Prozent voraus. Ein ausführlicher, zweiteiliger Bericht erscheint in dieser Woche auf DataCenter-Insider.

Immer wieder ist zu hören, OpenStack sei komplex. Das bestätigt die Foundation indirekt mit der Aussage, dass 90 Prozent der Anwender sich von einem Distributor unterstützen lassen. Andererseits sind die Teams, welche Vorzeigeprojekte aufgebaut haben und betreiben von BMW bis zu chinesischen Internet-Größen mit vier bis sechs Personen recht klein.

Die Klagen hat auf dem letzten Herbst-Summit Sorabi Saxena von AT&T Business Solutions, in vier Verbesserungswünsche umgemünzt: Security-Vorkehrungen, Vereinfachung des Betriebs, störungsfreie Upgrades sowie Best Practices und Metriken für den Reifegrad von Projekten. Jetzt gibt es dazu nicht etwa eine neue Admin-Lösung samt Zugangskontrolle, sondern einzelne Verbesserungen sollen im neuesten Release Queens eingebaut sein. Außerdem wurde die Website neu aufgebaut, so dass sich nun ein besserer Überblick über den OpenStack-Dschungel samt Vorschlägen für Anwendungsziele und Reife dieser Teillösungen finden lässt.

Ob das reicht, muss die Reaktion der interessierten Anwender entscheiden. Erstaunlicherweise hat die OpenStack-Leitung zu Verbesserungen an kritisierten Aspekten jetzt in Vancouver nichts mehr gesagt. Das ist dann schon grenzwertig, weil Gegner herauslesen könnten, es habe sich nichts getan. Mit Marketing tun sich Open-Source-Projekte seit jeher schwer.

Stattdessen hat die OpenStack Foundation – ganz anders als in Vorankündigungen – zwei Produkte in den Vordergrund geschoben: Die Container-Lösung Kata und Zuul für Continuous Integration/Continuous Delivery (CI/CD). Daran sind einige Aspekte ungewöhnlich und irritierend. Beide eignen sich über den eigentlichen Open-Cloud-Bereich hinaus und passen mehr zum OSF-Motto „Open Infrastructure“. Und beide werden zwar unter dem OpenStack-Schirm entwickelt, die Projekte sind aber genau so unabhängig wie OpenStack selbst. Entsteht dadurch eine Positionierung der OpenStack Foundation neben der Linux Foundation?

Immerhin gibt es eine Entwicklung, die sich ohne Weiteres als rundum positiv einschätzen lässt: Die OpenStack Foundation macht in Sachen Edge Computing deutliche Fortschritte. Das Projekt  hat Ende Februar 2018 ein sehr lesenswertes Whitepaper „Cloud Edge Computing: Beyond the Data Center“ (PDF-Download ohne Registrierung hier; Zusammenfassung hier) herausgegeben, das die Breite der Herausforderung am Edge darstellt. Unter dem Titel „Akraino“ arbeitet das Projekt mit einem dreistufigen Konzept vor allem daran, für die meist kleinen und unbemannten Systeme zwischen den Endgeräten und dem Rechenzentrum eine OpenStack-kompatible offene Umgebung zu schaffen, für die auch noch erhöhte Sicherheitsanforderungen bestehen.

"Digital Whale", eine Skulptur von Douglas Coupland am Kongresszentrum Vancouver, Foto: Ludger Schmitz, CC-BY 3.0

„Digital Whale“, eine Skulptur von Douglas Coupland am Kongresszentrum Vancouver, Foto: Ludger Schmitz, CC-BY 3.0

Die Beteiligten sind sehr optimistisch und sehen sich proprietären Anbietern – im Gegensatz zum Beginn des Cloud-Trends – weit voraus. Ihre Vorteile sehen sie nicht nur in der Offenheit der angestrebten Edge-Umgebung, die vielfältige Einsatzmöglichkeiten eröffnet. Vielmehr seien im Projekt durch die Teilnahme der Telcos und Firmen wie Kontron überlegene Erfahrungen mit Embedded Systems. Dem Wettbewerb kündigte Kandan Kathirvel von AT&T harte Zeiten an: „Proprietäre Anbieter werden Produkte auf den Markt werfen – und Probleme bekommen. Denn sie haben kein so umfassendes Angebot für verschiedene Edge-Umgebungen und bieten weit weniger Interoperabilität als wir.“

Eine hervorragende Gelegenheit, OpenStack besser kennenzulernen, bietet sich im Herbst: Der nächste OpenStack Summit finden am 13. bis 15. November 2018 in Berlin statt.

*Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist in Kelheim.