Bild: Peter Smola, pixelio.de

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Hierzulande ist Open Source keine IT-politische Leitlinie, sondern darf hier und da eine Spielwiese abgeben. Deutschland ist diesbezüglich anderen europäischen Ländern weit hinterher, sich aus monetären und technischen Fesseln der proprietären DV-Technik zu lösen. Von Ludger Schmitz*

Vor wenigen Tagen hat sich die Open Source Business Alliance – wieder einmal – darüber beklagt, dass Open Source nicht eine Leitlinie der deutschen IT-Politik ist, sondern allenfalls in Einzelfällen bei Kommunen und Bundesbehörden zum Einsatz kommt. Die Organisation fordert in einer Pressemitteilung, dass mit Steuern finanzierte Softwareentwicklungen allgemein verfügbar sein sollten und „das mit Open Source verbundene Mehr an Rechten und Möglichkeiten in Ausschreibungen immer zu berücksichtigen“ seien.

Anlass der Meldung war, dass vor rund einem Monat in Bulgarien das Parlament ein neues Gesetz zur IT in der öffentlichen Verwaltung beschloss (in der Literatur als „Electronic Governance Act“ zu finden). Dieses Gesetz schreibt vor, für staatliche Stellen entwickelte Software unter einer Open-Source-Lizenz zu veröffentlichen und in allgemein zugänglichen Repositories der Allgemeinheit verfügbar zu machen. Zur Begründung erwähnt der Parlamentsbeschluss Sicherheit und Transparenz, vor allem aber die Möglichkeit zur Wiederverwendung und Erweiterung durch andere Behörden.

Zur Vermeidung von Missverständnissen: Das Gesetz verbietet nicht die Nutzung proprietärer Software, sondern betrifft nur eigens für Behörden entwickelte Programme.

Die Pressemitteilung der OSB Alliance erwähnt, dass es in diversen anderen Ländern Europas und den USA eine deutlich ausgeprägtere IT-Politik gibt, die explizit auf Open Source setzt, als in Deutschland. Solche Beispiele sind in diesem Blog immer wieder zur Sprache gekommen. Hier ein Überblick der wichtigsten Entwicklungen in anderen Ländern.

Entwicklungen in anderen Ländern

Italien:

Im europäischen Vergleich ist Italien das Open-Source-freundlichste Land. Im Prinzip gibt es hier schon seit 2012 die Vorgabe, dass staatliche Behörden nur noch dann proprietäre Software beschaffen dürfen, wenn es kein vergleichbares Open-Source-Produkt gibt. Diese Vorgabe wurde im Januar 2014 noch einmal bekräftigt durch ein Regelwerk der Agenzia per l’Italia Digitale (AgID). Die bekam „Leitlinien für eine vergleichende Bewertung“ mitgegeben, um die bis dahin geläufige Abweichung von legislativen Vorgaben besser zu verhindern.

Gleichwohl hat das seither nicht dazu geführt, dass ein massiver Trend zu Open-Source-Software in den öffentlichen Verwaltungen Italiens eingesetzt habe. Jedenfalls deuten Medienberichte nur auf einen Trend hin: LibreOffice und Apache OpenOffice ersetzen inzwischen in sehr vielen Regionalverwaltungen und Gemeinden MS Office. Auf Landesebene hat das Verteidigungsministerium einen ähnlichen Weg eingeschlagen; die Streitkräften rüsten in ihren Büros rund 150.000 Desktops mit LibreOffice aus.

Frankreich:

In Frankreich gibt es seit 2012 eine offizielle Aufforderung an die öffentliche Verwaltung, Open-Source-Software zu verwenden, das „Circulaire Ayrault“. Eine Wirkung hatte das nach vorliegenden Informationen offenbar besonders bei Office-Produkten, E-Mail-Clients und Datenbanken. Der größte Open-Source-Anwender Frankreichs ist die Polizei, die auf breiter Front auf Ubuntu und OpenOffice setzt. Schlagzeilen machte im vergangenen Jahr, dass die französische Regierung allen Behörden ODF als Standard-Dokumentenformat vorschrieb und Microsofts Office Open XML (OOXML) nur noch übergangsweise zulässt. Ende 2015 hat eine interministerielle Arbeitsgruppe eine jährlich erscheinende Referenzliste empfehlenswerter Open-Source-Anwendungen auf jetzt 130 Programme aktualisiert.

Spanien:

In Spanien sind die Provinzregierungen die treibenden Kräfte bei der Verbreitung von Open Source in der öffentlichen Verwaltung. Die Anstöße dazu kamen aus dem Baskenland, Andalusien und Estremadura, wozu auch die Entwicklung einer Linux-Version samt einem Set von Integrations- und Administrationswerkzeugen GECOS gehört. Einige kommunale Verwaltungen setzen auch auf Desktops Linux ein. Der Schwerpunkt liegt aber eher auf Anwendungen, vor allem LibreOffice. Inzwischen sind weitere Provinzverwaltungen von Galizien bis zu den Kanarischen Inseln den Vorreitern gefolgt. Insbesondere an Schulen ist Open Source verbreitet.

Portugal:

Das Nachbarland Portugal, startete 2011 ein Programm zur Reform der IT in der öffentlichen Verwaltung, das 500 Millionen Euro, vor allem Lizenzkosten, einsparen soll. Vorgeschrieben wurde dabei die Verwendung von offenen Standards für die Kommunikation zwischen den Behörden und mit Bürgern. Ein Jahr darauf wurden dafür die Formate und Protokolle ODF, PDF, XML, XMPP, IMAP, SMTP, CALDAV und LDAP verpflichtend. Die Regierung ermuntert staatliche Stellen zum Einsatz von Open Source für Büroanwendungen, E-Mail, Dokumentenverwaltung, E-Mail, Websites und Systemmanagement. Allerdings ist die eigentlich untersagte Diskriminierung von Open Source durch Vorgabe von proprietärer Software bei Ausschreibungen eine weit verbreitete Praxis, beklagt die Associação de Empresas de Software Open Source Portuguesas (ESOP).

*Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist in Kelheim.