In Italien schreibt ein Gesetz öffentlichen Institutionen im Kern freie Software vor, aber das wird ignoriert. In Deutschland sind bestenfalls italienische Verhältnisse zu erwarten. Von Ludger Schmitz*

Foto: Ludger Schmitz, CC-BY 3.0

Anderswo in Europa gibt es mehr oder minder weit greifende Richtlinien, manchmal Beschlüsse von regionalen oder kommunalen Parlamenten (in Spanien beispielsweise). Aber ein nationales Gesetz zur stärken Nutzung von Open-Source-Software gibt es nur in Italien. Der „Codice Amministrazione Digitale“ hält genau das in zwei Absätzen fest, in den Artikeln 68 und 69. Es schreibt der öffentlichen Verwaltung vor, erstens intern entwickelte und Open-Source-Lösungen gegenüber proprietären vorzuziehen. Zweitens müssen Administrationen den Quellcode und die Dokumentation jeder Software veröffentlichen, die mit öffentlichen Mitteln erstellt wurde.

Doch wie die Free Software Foundation Europe (FSFE) im aktuellen Newsletter schreibt, „lässt die Durchsetzung dieser Gesetze zur Zeit zu wünschen übrig“. Ich hatte mich auch schon gefragt, wo denn bloß die Meldungen bleiben, dass dieses Ministerium oder jene italienische Bundesbehörde nun massiv auf Open-Source-Kurs gehe. Der bekannteste große Fall ist noch das Bundesheer, das auf breiter Front auf LibreOffice setzt. In ein paar Kommunen gibt es ähnliche Beschlüsse.

Wer wie der Autor dieses Blog-Beitrags einige Zeit in Italien gelebt hat, kennt das Sprichwort:Fatta la legge, trovato l’inganno.“ Das bedeutet: Sobald ein Gesetz verabschiedet ist, ist auch eine Möglichkeit gefunden, es zu umgehen (wörtlich: … zum Betrug). Im Prinzip könnte zum Beispiel die FSFE vor Gericht ziehen und klagen. Zu einem abschließenden Urteil käme es vermutlich, wenn nur noch IT-Historiker von Linux reden, weil wir zwei, drei IT-Generationen weiter sind. Vermutlich deshalb hat die FSFE es vorgezogen, eine Kampagne „Ask Your Candidate“ zu starten, die Druck auf Bewerber für Parlamentssitze und öffentliche Ämter machen soll.

Allerdings gilt leider dafür gleich das nächste Sprichwort: „Tra il dire e il fare c’è di mezzo il mare.“ Zwischen Reden und Tun ist eine Menge Platz (wörtlich: liegt das Meer). Das könnte ein deutsches Sprichwort sein – und würde ganz gut auf die deutsche IT-Politik passen. In letzter Zeit gab es Hinweise, dass verschiedene Behörden die Pflicht zu öffentlichen Ausschreibungen bei Softwarebeschaffungen umgangen haben. In München, gern bezeichnet als Italiens nördlichste Großstadt, heißt die Herangehensweise auch: nicht mal ignorieren.

Und kaum haben wir eine regulär arbeitende Regierung, überbieten sich deren Mitglieder auf ihren Fachgebieten – und gern auch weit darüber hinaus – mit kernigen Parolen. Digitalisierung ist nicht mehr so das dicke Thema, das es noch zur Zeit der Regierungsbildung war. Dorothee Bär, im Kanzleramt Staatsministerin für Digitales, hat sich ja besonders forsch aus dem Fenster gelehnt, aber für Sprüche über mangelnde Breitbandnachfrage und fliegende Autos vor allem Häme kassiert. Sie muss jetzt erst mal klar kriegen, wo das Revier vom Kanzleramtschef Helge Braun anfängt. Der Narkosearzt hat sich bisher zurückgehalten.

Ohnehin ist noch Schonzeit, die 100 Tage sind noch nicht um. Eine eher widerwillig eingegangene Koalition lässt nicht viel erwarten. Die Italiener, in einer recht ähnlichen Situation, haben ihren Dante, und der ist hier vor allem vor das „Inferno“ bekannt. Wir haben immerhin unseren Goethe: „Der Worte sind genug gewechselt,/ Lasst mich auch endlich Taten sehn;/ Indes ihr Komplimente drechselt,/ Kann etwas Nützliches geschehn.“

*Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist in Kelheim.