LiMux-Logo bearbeitet von Ludger Schmitz, CC-BY 3.0

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Faktisch hat die große Koalition von SPD und CSU im Stadtrat München den Ausstieg aus Linux mit Open-Source-Anwendungen und die Rückkehr zu Microsoft-Produkten beschlossen. Die Umstände des Beschlusses sind „bemerkenswert“. Von Ludger Schmitz*

Das Ende von Linux auf den Arbeitsplatzrechnern in der Stadtverwaltung hat sich abgezeichnet, seit in München eine große Koalition die Stadtratsmehrheit hat und Dieter Reiter (SPD) Oberbürgermeister ist. Die zunehmenden Vorwürfe gegen das „LiMux“-Projekt waren in diesem Blog mehrmals Thema, zuletzt im Beitrag „LiMexit? Eine Lektion über IT-Kleinstaaterei und Referatsfürsten“. Alles was in Münchens IT schief läuft, wird der Open-Source-Orientierung in die Schuhe geschoben. Um dem noch mehr Schub zu geben, wurden die wahren Probleme, nämlich eine verkorkste IT-Organisation, nicht angegangen.

Sollte Öffentlichkeit verhindert werden?

Jetzt brachten SPD und CSU nur eine Woche vor der angesetzten Stadtratssitzung einen Antrag ein, der auf die Rückkehr zu Microsoft-Produkten hinausläuft. Die betroffenen Mitarbeiter waren erst gar nicht informiert worden. Hier wurde etwas durchgepaukt, und es hat allen Anschein, als sollte Öffentlichkeit verhindert werden. Es gab nicht einmal anschließend eine Pressemitteilung, obwohl der Vorgang national wie international Schlagzeilen machte. Open Government? München hat ein erstklassiges Beispiel dafür abgeliefert, wie man den Ruf von Verwaltungen beschädigt und Politikverdrossenheit schafft.

Welcome to the club, Munich!

Die gleiche Wirkung hat der mehr als leichtfertige Umgang mit Steuergeldern. Erst auf Zusatzantrag hin beschlossen SPD- und CSU-Fraktion, dass vor einer formalen Entscheidung die Kosten des Umstiegs zu berechnen seien. Es kursieren Kostenberechnungen von 6 bis 90 Millionen Euro, je nach dem, was eingerechnet wird. Sicher, letztlich wird eine Kalkulation vorliegen – die sich dann alsbald nicht halten lässt. Hamburger Elbphilharmonie, Stuttgart 21, Flughafen Berlin, welcome to the club, Munich! Der Bayrische Rechnungshof wird noch mehr Arbeit bekommen.

Ohne also einen auch nur groben Plan zu haben, will die Stadt den Umstieg in zwei Jahren schaffen. Wie sie zu dieser Zielvorgabe kommt, ist natürlich nicht begründet und bleibt völlig rätselhaft. Es geht immerhin um rund 20.000 IT-Arbeitsplätze, 30.000 zu schulende Mitarbeiter. Tausende Vorlagen und hunderte Makros müssen auf MS Office umgebaut werden.

Wie eine IT das schaffen soll, in der gerade die „Wollmux“-Mitarbeiter, die sich bestens mit diesen Vorlagen und Makros auskennen, zutiefst verunsichert sind, bleibt rätselhaft. Es würde nicht überraschen, wenn gerade diese engagiertesten Mitarbeiter frustriert kündigen. Außerhalb der öffentlichen Verwaltung wird ohnehin mehr gezahlt. München kann nicht mehr damit werben, immerhin mit LiMux ein IT-Leuchtturmprojekt zu haben, sondern präsentiert eine chaotische IT.

Datenschutz?

Die Landeshauptstadt will Windows 10 und damit etwas, das mehr als jedes andere Microsoft-System zuvor, Daten von Anwendern absaugt. Bei Open Source konnte man sich noch den Sourcecode anschauen, analysieren und ändern. Den Datenschutz hat München preisgegeben. Wie weit die Preisgabe gehen wird, ist nicht absehbar. Outlook heißt Exchange und das Active Directory und mehr Microsoft auf den Servern im Backend.

Die Landeshauptstadt hat eine Menge Geld für diverse Studien zu den Schwächen ihrer IT ausgegeben. Zuletzt gab es eine Studie von Accenture. Die war schon kritisch gegenüber der LiMux-Orientierung, nannte aber die Organisationsstruktur der IT als eigentliche Ursache der Probleme. Erstaunlicherweise behandelt der jetzige Stadtratsbeschluss, obschon der Tagesordnungspunkt so hieß, keineswegs diese Strukturen.

Mit anderen Worten: Die Stadtpolitiker ignorierten die teuer engagierten Berater. Weil die Räte sich in der IT nicht auskennen, muss es sich wohl um einen göttlichen Ratschlag gehandelt haben, den jemand dem arg betrunkenen Alois im Hofbräuhaus abgeluchst hat. Nein? Dann bedeutet der Ausstiegsbeschluss, dass es nicht um eine bessere IT ging.

Es war keine fachliche, sondern eine politische Entscheidung. Es ging darum, Microsoft zu bekommen. OB Reiter ist ja stolz, im letzten Jahr die Microsoft-Deutschlandzentrale von Unterschleißheim nach München gezogen zu haben. Im Vorort war der Gewerbesteuerhebesatz 330 Prozent, in der Landeshauptstadt sind es 490 Prozent. Da liegt der Gedanke an ein Gegengeschäft nahe.

Für Microsoft jedenfalls rentiert es sich trotzdem immer

Die Rückkehr Münchens zu Windows und Office ist weltweit ein unbezahlbares Marketing-Argument: Seht es hat in München nicht geklappt, bei uns seid ihr auf der sicheren Seite. Die Behauptung der LiMux-Aussteiger, die Stadt stehe allein auf weiter Flur, ist reine Demagogie, wie ein Blick auf die Open-Source-Orientierung in anderen öffentlichen Verwaltungen in Europa zeigt. Dazu gibt es eine Zusammenfassung auf Wikipedia und Beiträge in diesem Blog

München steht jetzt erst recht gegen den Trend. Und der heißt gerade in Cloud-Zeiten technisch Open Source und strategisch Verhinderung von Vendor Lock-in. Von dieser Perspektive hat sich München auch noch verabschiedet, allenfalls ist Azure am Horizont. Mia san mia.

*Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist in Kelheim