Vor wenigen Jahren wäre es noch eine Meldung von der Art David schlägt Goliath gewesen, dass Suse – wenn auch vermittels der Muttergesellschaft Micro Focus – einen zuvor als strategisch wichtig bezeichneten Teil des Softwaregeschäfts von Hewlett Packard kauft. Das zeigt, wie desolat die Lage bei der heutigen HPE ist – auch wenn nach außen das Cloud-Geschäft weiter laufen wird, mit Suse unter der Motorhaube.

Von den verschiedenen Aspekten dieses Deals ist an dieser Stelle das Cloud Computing besonders interessant. Suse bekommt von HPE nicht genau erklärte Ressourcen sowie OpenStack- und Cloud-Foundry-Technologie. Damit kann Suse sein Angebot in Sachen IaaS (OpenStack) und PaaS (Cloud Foundry) ausbauen. Formal bleibt HPE in beide Richtungen weiter aktiv, allerdings mit Suse unter der Haube.

Man kann wohl davon ausgehen, dass dieses Geschäft die Position von Suse im Cloud-Business stärkten wird, weil die Firma ihr Angebot verbreitert. Ob es für HPE etwas bringen wird, ist doch sehr fraglich. Denn zuerst müsste die Firma ihre Positionierung im Cloud Computing ändern; denn da zeigt HPE zwei Seiten.

Einerseits ist HPE eins der engagierteren Unternehmen in Sachen Open Cloud. Nach den letzten Angaben von OpenStack ist HPE der achtstärkste Contributor zu diesem Projekt, übrigens knapp hinter Suse, und zusammengenommen stünden die Unternehmen theoretisch auf Platz 4. Das hat natürlich damit zu tun, dass man auf der Basis der Open-Source-Umgebung sehr viel günstiger als durch eigene Entwicklung zu einem IaaS-Angebot kommen kann.

Andererseits liefert HPE gerade bei OpenStack das Musterbeispiel, wie man eine offene Umgebung zu einem proprietären Angebot machen kann. Denn bei HPE gibt es OpenStack nur auf der Basis von HPE-Hardware. Das machen auch andere Anbieter so, NetApp und Cisco zum Beispiel. Hier ist die Grundidee von OpenStack Makulatur, Offenheit ist nicht mehr gegeben, sondern ein Vendor Lock-in wie bei IBM-Mainframes der 70/80er Jahre oder Unix-Maschinen der 90er.

Das ist schlicht ewig-gestrig und genau das Business-Suizid, das HPE gerade vollzieht. So eine Strategie setzt die völlig absurde Annahme voraus, die Anwender seien Vollidioten, die in den letzten Jahren nichts von Open Source mitbekommen haben. Jeder Anwender, der nicht gerade ein HP-Shop ist, erkennt die Falle und umgeht sie. HPE hat sich mit dieser Ausrichtung selbst ins Abseits manövriert, seiner Marktchancen beraubt und seine Glaubwürdigkeit verspielt.

Um Missverständnissen vorzubeugen: OpenStack ist kein Open-Source-Musterhaus. Die meisten hier beteiligten Firmen sind letztlich nicht ehrlich: Sie versuchen, unter dem „Open“-Mantel Kunden fest an sich zu binden. Das funktioniert auch auf der Softwareebene, indem es OpenStack-Support eben nur in Kombination mit Supportverträgen für andere, eigene Software gibt.

Die Anwender sind übrigens nicht so blind, mutwillig in diese Falle zu tappen. Noch aber nehmen sie diese Abhängigkeit zähneknirschend oder achselzuckend in Kauf, denn „so ist das eben bei Software“. Die Frage ist, wie lange noch? Open-Source-Software verbreitet sich rasend schnell und mit ihr ein zunehmender Widerwillen gegen Abhängigkeiten von Herstellern.

*Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist in Kelheim.