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Die EU-Kommission will künftig Open-Source-Software nicht nur gleichberechtigt neben proprietären Programmen behandeln, sondern aktiv fördern. In der Praxis gibt es noch viele Defizite.

Von Ludger Schmitz*

Hitner den Kulissen muss es ein kräftiges Gezerre gegeben haben. Denn die Europäische Kommission hat die Leitlinien für ihre „Open Source Software Strategy 2014 – 2017“ erst mit einiger Verspätung veröffentlicht. Aber immerhin, Open Source erfährt darin eine bedeutende Aufwertung.

Das zehn Punkte umfassende Dokument folgt weitgehend, in den Details aber nicht genau, einem Vorschlag des Directorate General for IT (Digit). Dessen Head of Sector (Bereichsleiter) Service Oriented Solutions, der Belgier Pierre Damas, hatte diese Anfang Dezember 2014 auf einem internen Workshop vorgestellt. Sie waren in diesem Blog schon ausführlicher das Thema.

Für den Gebrauch in EU-Institutionen soll quelloffene Software grundsätzlich nicht gegenüber proprietären Alternativen benachteiligt werden, sondern gleiche Chancen bekommen. Als entscheidende Bewertungsfaktoren gelten Total Costs of Ownership, Interoperabilität und die Nutzung „gut etablierter“ Standards. Von herstellerunabhängigen Standards ist also nicht die Rede.

Allerdings soll Open Source für die EU immer dann „preferred choice and used whenever possible“ gelten, wenn bei Eigenentwicklungen deren Nutzung durch weitere Institutionen in und jenseits der EU absehbar ist. Open Source ist in der EU-internen Softwareentwicklung bisher schon, wie der Damas-Vortrag gezeigt hat, ein Quasi-Standard. Jetzt dürfen die Programmierer auch ganz offiziell so verfahren.

Die EC stellt sich selbst die Aufgabe, in Sachen Lizenzen und Urheberrechten einen Rahmen zu definieren. Der ist dringend geboten, damit bei ihr beschäftigte Programmierer in Open-Source-Projekten mitarbeiten, eigene Entwicklungen dort einbringen und fremde Software verwenden können. Bisher ist das eigentlich gar nicht möglich, soll die EC nun aber aktiv unterstützen.

Außerdem ist dieser legale Rahmen von Bedeutung für das, was die EU jetzt explizit will, nämlich Open Source aktiv fördern. Ausdrücklich genannt sind hier die Aspekte IT-Sicherheit und E-Government. Grundsätzlich möchte die EU Entwickler-Communities bei solche Open-Source-Projekten unterstützen. Das Digit wird explizit aufgefordert, eine aktive Rolle bei Open-Source-Partnerschaften zu übernehmen.

Dieses Leitliniendokument der Europäischen Kommission ist eine deutliche Verbesserung der Open-Source-Orientierung der EU. Es ist nicht alles erreicht, was das Digit sich gewünscht hatte, aber einiges ist jetzt klarer. Außerdem hat die EC dem Digit Rückendeckung gegeben, seine bisher schon ausgeprägte Open-Source-Orientierung noch deutlicher zu akzentuieren und in die Praxis umzusetzen.

Allerdings gilt es genau in puncto Praxis, einige proprietäre Hindernisse aus dem Weg zu räumen, welche die EU selbst aufgestellt hat. So hat der Blog „FixMyDocuments.eu“ immer wieder Fälle zum Gegenstand, in denen proprietäre Dokumentenformate, die Nutzung von herstellerunabhängiger Software unmöglich machen.

So benutzt die Europäische Kommission für Anträge auf Förderung etwa bei ihren Programmen H2020, Erasmus+, Life+ oder Europe4Citizens das PDF-Format. Das ist ein Hersteller-eigenes Format, was lediglich für nicht-editierbare Dokumente völlig offen ist. Erschwerend kommt hier hinzu, dass der Hersteller Adobe die Anwendung lediglich für Windows- und Apple-Systeme unterstützt, nicht aber für Linux.

Die EC zwingt also Anwender und Mitarbeiter, proprietäre Systeme zu verwenden. Das widerspricht eklatant den eigenen Maßgaben der Kommission. Es ist zugleich ein Indiz, wie weitgehend die IT bei Behörden aller Art von proprietären Formaten verseucht ist. Es gibt noch so viel zu tun.

*Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist in Kelheim.