Grafik: Ludger Schmitz, CC_BY 3.0

So, jetzt ist wieder „Ruhe im Karton“, die Elektronikbranche braucht nicht zu zittern und von Linux zu lassen aus Angst, wegen Verletzungen der GPL teuer abgemahnt zu werden. Wenn man sich an einfache Spielregeln hält. Von Ludger Schmitz*

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Schlagzeilen müssen einschlagen, sonst schlägt dich die Konkurrenz. Das ist so ein Spruch aus der Presselandschaft. Das Titel-Texten ist eine Kunst für sich, meistens ist in der Redaktion die Zeit eh knapp, und dann gerät‘s daneben. So geschehen beim Netzportal Golem: „Lizenzbestimmungen: Linux-Abmahnungen verunsichern Elektronikbranche“. Das war falsch: Es ging nicht um Linux, sondern um eine Verletzung der GPL-Lizenz von Linux. Und es war übertrieben: Die weite Mehrheit der Branche hält sich genauestens an diese Vorgaben und hat ergo nichts zu befürchten.

Die von dpa stammende Meldung machte die Presserunde, obwohl der Anlass fast fünf Monate zurück lag. Schon am 20. Oktober 2017 hatte das Landgericht Köln dem Elektronikhersteller Geniatech Europe GmbH aus Herzogenrath untersagt, einen Satellitenempfänger zu vertreiben, weil diese Geräte Linux nutzen, die Firma aber den von ihr geänderten Source Code nicht veröffentlicht hatte. Das wäre nach der GNU-GPL-Version 2 von Linux jedoch vorgeschrieben gewesen. Das Landgericht Köln fand widrigenfalls 250.000 Euro Ordnungsgeld oder sechs Monate Haft angemessen.

Angestrengt hatte das Verfahren der einstige Linux-Kernel-Mitentwickler Patrick McHardy. Der hatte im Netfilter-Projekt von Linux mitgearbeitet und war dort im Sommer 2016 ausgeschlossen worden. Grund war nach einer Meldung von dpa, dass er privat mehr als 50 Firmen wegen Lizenzverletzungen vor Gericht gezogen und dabei mehrere Millionen Dollar erstritten haben soll (mehr Details hier). Im Fall Geniatech scheiterte der Versuch. In der nächsten Instanz, vor dem Oberlandesgericht Köln, zog er seinen Antrag auf Einstweilige Verfügung zurück (hier mehr).

Vordergründig sind an diesem Fall zwei Dinge interessant. Erstens habe der OLG-Richter angedeutet, das Urheberrecht an Linux habe ausschließlich Linux Torvalds. Dazu eine Erklärung: Für Linux hat nach US-Recht Torvalds das alleinige „Copyright“. Im deutschen Recht aber ist das „Urheberrecht“ untrennbar mit dem Autor einer Sache verbunden; im Unterschied zum Verwertungsrecht verbleibt es bei ihm. Auf diese Feinheit im deutschen Recht hatte McHardy wohl gesetzt.

Zweitens soll der beklagte Geniatech-Geschäftsführer Mike Decker laut Golem in diesem Verfahren von der Linux Foundation Rückendeckung bekommen haben. Das mag Außenstehende verwundern, ist aber einfach zu erklären. Die Community ist sich schon länger einig, dass Lizenzstreitigkeiten nicht die Verbreitung von Open Source im Allgemeinen und Linux im Speziellen behindern darf sowie juristische Verfahren möglichst vermieden werden sollen. Daher enthält der Kernel seit Version 4.14 vom November 2017 ein „Linux Kernel Enforcement Statement“, das bei Verstößen gegen die GPLLizenz eine 30-tägige Schonfrist einräumt (mehr hier und in dortigen Links).

Das schließt also juristische Schritte gegen Verletzer der Lizenzbestimmungen nicht aus. In der Praxis läuft es darauf hinaus, dass sie außergerichtlich auf ihre Versäumnisse hingewiesen werden – und sich dann auch beeilen. Versäumnisse können vorkommen, sie sind menschlich. Aber Unternehmen sollten schon etwas pflichtbewusster sein, in der Elektronikbranche sollte es Allgemeinwissen sein, dass Open Source und seine Lizenzen eher etwas mit Freiheiten zu tun haben.

Dass die GPL zu kompliziert sei, ist ja wohl ein Gerücht. Es gibt sie übersetzt und kommentiert (ein dickes älteres Werk hier, zur GPLv3 zum Beispiel hier). Wer sich die Lektüre nicht zumuten mag, kann den Firmenanwalt beauftragen. Der hat schon die eigenen AGBs aufgesetzt, die mindestens genauso komplex sind. Wer die GPL kompliziert findet, sollte sich mal die Lizenzbestimmungen von Microsoft oder Oracle vornehmen. Da akzeptiert man die Bestimmungen und – zähneknirschend – den Preis. Open Source hingegen ist ein Supermarkt ohne Kasse vorm Ausgang. Aber an die Umgangsformen muss man sich zwischen den Regalen schon halten.

*Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist in Kelheim.