Big Blue kriegt einen roten Hut

Big Blue kriegt einen roten Hut

35 Milliarden Dollar bringt IBM für Red Hat auf, ein Unternehmen mit zuletzt 2,9 Milliarden Dollar Jahresumsatz, einer der größten Deals der IT-Geschichte. Ein dabei nicht gefallener Name bringt der Geschichte gleich einen lustigen Aspekt: Oracle hat einmal vergeblich versucht, Red Hat zu kaufen, kupferte seither sein „unbreakable“ Linux von Red Hat Enterprise Linux ab – was zum schönen Konter „Unfakeable Linux“ führte – und muss nun ausgerechnet bei IBM, Erzfeind Nr. 2 nach Microsoft, kopieren.

Nicht nur die enorme Geldsumme zeigt an, dass es IBM sehr ernst und Red Hat dem Konzern sehr wichtig ist. IBM war schon einmal als Linux-Käufer im Gespräch, nämlich als SUSE am Boden lag, hielt sich aber zurück. Man betonte immer wieder, distributions-neutral zu sein, keine Linux-Variante zu bevorzugen. Man darf also gespannt sein, welche Rolle andere Distributionen künftig im IBM-Geschäft noch spielen werden. Die bevorzugte Betriebssystem-Basis bei IBM dürfte ab sofort wohl Red Hat Enterprise Linux heißen. By the way: Und wenn sich andere IT-Schwergewichte IBM zum Vorbild nehmen, könnten demnächst SUSE und Ubuntu Schlagzeilen machen.

Eindeutig verrät IBMs tiefer Griff in die Kasse, dass das nicht unerhebliche Red Hat-Portfolio an Open Source-Infrastruktursoftware und -services zentrales Element einer Neuaufstellung des Großkonzerns ist. Der war schon einmal bitter nötig, nämlich als es in den 90er Jahren um eine Wende aus der Mainframe-Ära ging. Jetzt geht es um einen weiteren Schritt, um eine Mischung von Public und Private Cloud sowie On-Premise-Rechenzentren, also hybrides Computing. Hier sieht auch die IBM ihre Zukunft und entsprechend wird derzeit der Konzern umgebaut. Die Übernahme von Red Hat soll und wird diesen Umbau beschleunigen.

Open Source steht strategisch im Mittelpunkt der Zukunft der ganzen IT

In hybriden IT-Umgebungen vermeiden die Kunden mehr denn je Herstellerabhängigkeiten. Nur Open Source kann die Wahlfreiheit erhalten – und dieses Argument kann IBM nun überzeugender in die Waagschale werfen. Open Source steht strategisch im Mittelpunkt der Zukunft der ganzen IT. IBM verstärkt diesen Trend und zeigt den Anwendern mit dem spektakulären Kauf, wohin die Reise geht. Früher hieß es: Wer auf IBM setzt, kann nicht entlassen werden. Das gilt längst nicht mehr. Aber eine so demonstrative Orientierung eines Großkonzerns wie IBM wird Open Source-affine Anwender bestärken und anderen zu denken geben – zumal Microsoft auch ständig die Harmonie mit Linux und Open Source-Software betont.

Es ist nicht so, dass diese Open Source-Orientierung etwas völlig neues bei IBM wäre. Das Unternehmen hat seit seinem Linux-Commitment vor nun 18 Jahren eine Menge Geld und personelle Ressourcen in Open Source investiert. IBM ist ein sehr engagierter und vertrauenswürdiger Player im Open Source-Geschäft. Der Konzern hat in fast zwei Jahrzehnten Open Source verteidigt, vorangetrieben und sich in den zahllosen internationalen Gremien für herstellerunabhängige Standards eingesetzt. Gleichzeitig hat das Unternehmen seine Systeme für Linux geöffnet, was sicher auch unumgänglich war. Aber der dafür nötige Aufwand war schon enorm und IBM setzt noch einen drauf. Die Red Hat-Übernahme zeigt, in welche Richtung sich die IT entwickelt: Open Source.

*Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist in Kelheim.