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Eine Antwort aus dem Bundesinnenministerium auf eine kleine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Victor Perli, für die Linke Mitglied im Haushaltsausschuss, hat in den letzten Tagen viel Aufmerksamkeit bekommen. Demnach werden Bundesministerien und ihnen nachgeordnete Behörden zwischen 2015 und 2019 rund 250 Millionen Euro an Microsoft zahlen. Die Detailangaben sind recht unklar. Es scheint sich um die reinen Lizenzkosten zu handeln, während Folgekosten für Systemintegration, Support etc., die üblicherweise wesentlich höher ausfallen, wohl nicht enthalten sind.

Über „eine Viertelmilliarde Euro für Microsoft“ haben sich viele Kommentarschreiber auf den einschlägigen Internetportalen aufgeregt. Es sind bei rund 500.000 Mitarbeitern in diesen Behörden 100 Euro pro Jahr. Das Soll ein Aufreger sein? Und Folgekosten gibt es schließlich auch bei jeder anderen Software, herstellerunabhängig. Oder?

Genau das ist der Punkt: Kosten sind kein Argument gegen Microsoft und auch nicht gegen Oracle oder SAP oder… Auch Open-Source-Software ist nicht kostenlos, sondern – keine professionelle Anwenderorganisation wird darauf verzichten – mit Subskriptionen für den Support verbunden. Außerdem ist es durchaus im Sinne des Steuerzahlers, dass der Staat die Software kauft, die er am günstigsten bekommen kann, und wenn es im Ausland ist. Kann man sich über den Protektionismus eines Donald Trump ereifern und gleichzeitig fordern, dass der Bund Software made in Europe, Germany, Bavaria (wie eng darf‘s sein?) kauft?

Allerdings gibt es in der Wirtschaftspolitik jeder Regierung durchaus die Bestrebung, die Wirtschaft im eigenen Land zu fördern. Das ist nicht zu verwechseln mit Autarkiedenke, sondern eine Frage der Souveränität und stabiler gesellschaftlicher Verhältnisse. So gibt es in den Vergabevorschriften für die IT von deutschen Behörden die Anforderung, den Mittelstand zu fördern, indem Auftragsvolumina, die kleine und mittlere Unternehmen überfordern würden, in Teil- oder Fachlose aufzuteilen sind.

Eine wichtige Bedingung ist, so heißt es in einem offenbar als Textbaustein verwendeten Absatz in mehreren Bundes-Dokumenten, dass „die geforderten Fähigkeiten im Gesamtsystemzusammenhang erreicht werden können“. Kriterien seien Funktionalität, Interoperabilität, Sicherheit, Realisierungs-, Pflege und Ausbildungsaufwand, Verfügbarkeit von Fachanwendungen sowie die Usability.

Dass es konkurrenzfähige Open-Source-Produkte gibt, die diesen Anforderungen genügen, zeigt sich im Backend, wo Behörden Linux, Open-Source-Datenbanken, Programmiersprachen, Internet-gerichtete Infrastruktur etc. verwenden. Weit mehr wäre denkbar, aber der Ist-Zustand stellt bereits eine grundsätzliche Anerkennung für Open-Source-Entwicklungen dar. Sehr problematisch wird es – außer bei Fachanwendungen und Einzelapplikationen wie Photoshop – immer dann, wenn Microsoft tangiert ist. Das betrifft nicht nur das Frontend mit Office-Anwendungen, sondern beispielsweise auch Groupware-Server. Merkwürdig.

Dabei gibt es Open-Source-Produkte, die nach den Kriterien Funktionalität, Realisierungs-, Pflege und Ausbildungsaufwand sowie Usability auf Augenhöhe zu Microsoft sind, LibreOffice ist das beste Beispiel. Integration in das Gesamtsystem geht mit Open Source dank offenem Quellcode und standardisierten Schnittstellen schneller und billiger. Pflege: Updates von Open-Source-Software klappen in der Regel besser, reibungsloser und schneller als bei Microsoft. Realisierung: Wem deutsche Anbieter zu klein sind, der gehört an die Pflicht zu Einteilung in Lose erinnert. Dass da nichts passiert hat wohl mit Bequemlichkeit zu tun und „Microsoft kostet eh nicht so viel“ (siehe oben, Konditionenverträge).

In Sachen Interoperabilität und Sicherheit sind Open-Source-Anwendungen Microsoft-Produkten ohnehin überlegen, weil sie mit offenen, herstellerunabhängigen Standards arbeiten und ihr offener Quellcode eine dauernde Überprüfung auf Sicherheitslücken wie Hintertürchen ermöglicht. Nur mit Open Source ist lässt sich ein „Nach-Hause-Telefonieren“, Spionage unterbinden, weil man im Sourcecode nachschauen kann, ob die Software auch nur das macht, was sie soll.

Die Forderung nach mehr Open Source in der öffentlichen Verwaltung hat keine reaktionäre, nationalistische Autarkie-Intention. Vielmehr steht sie vor dem Hintergrund von staatlicher Autonomie und wirtschaftlicher Entwicklung. In der Bereitwilligkeit, mit der IT-Verantwortliche in der öffentlichen Verwaltung proprietäre Software einkaufen, insbesondere von Microsoft, zeigt sich Abhängigkeit. Das Ausmaß hat vor einem Jahr hatte das Journalistenteam „Investigate Europe“ mit dem Report „Europe‘s dire dependency on Microsoft“ beschrieben, deutsche Version hier. Die Folgen: steigende Kosten, Verstöße gegen das europäische Beschaffungs- und Wettbewerbsrecht, erdrückenden politischen Einfluss von Microsoft und ein hohes technisches und politisches Sicherheitsrisiko.

Open-Source-Software statt der vermeintlich günstigen Microsoft-Lizenzen zu kaufen würde nicht nur die Folgekosten bei der Integration und Softwarepflege reduzieren. Vielmehr wären es Investitionen, die in die Weiterentwicklung von Open-Source-Programmen fließt. Staatsaufträge beschleunigen technologischen Fortschritt im Lande und schaffen High-Tech-Arbeitsplätze. In der Software-Industrie wird bekanntlich ganz gut verdient, was dem Staat via Steuern zu mehr Einnahmen verhilft.

*Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist in Kelheim.