Dieter Schütz, pixelio

Momentan macht ein Papier einer Organisation „Tech Against Terrorism“ die Runde, Titel: „Analysis: The use of open-source software by terrorists and violent extremists“ (Link). Das beschreibt erst einmal und in der Knappheit ganz passabel, was Open Source ist und dass solche Software in der IT-Welt fast überall zu finden ist. Überall bedeutet auch bei extremen Rechten, Rassisten und bei islamistischen Terroristen.

Zum Beweis ist angeführt, dass die rechtsradikale Plattform „Gab“ jetzt den verteilten Microblogging-Dienst „Mastodon“ verwendet, dessen Software Open Source ist. Gab ist bekannt als Plattform für Rechtsextreme und Rassisten. Es war zum Beispiel eine Plattform für den Attentäter, der beim Anschlag auf die Pittsburgher Synagoge elf Menschen erschoss und sie flog in der Folge unter anderem bei den Cloud- und Webhosting-Anbietern Joycent beziehungsweise GoDaddy raus. Gab startete neu, indem es den Mastadon-Code übernahm und seitdem verteilt arbeitet, also nicht mehr zentral wie etwa bei Facebook unter Kontrolle zu kriegen ist. Laut Tech Against Terrorism experimentiert auch ISIS mit Mastadon.

Zurück in die Steinzeit!

Wer solche Argumentationsketten liest, denkt: Den Apologeten proprietärer Software sind wohl die Argumente ausgegangen. Verbieten wir Open Source! Weil es Terroristen verwenden. Und dann muss man den Faden nur weiter spinnen: Die nutzen das Internet? Abschaffen! Die fahren schwere Pickups? Alle abwracken! Die haben sich für 9/11 am Microsoft Flugsimulator vorbereitet? Sofort vom Markt nehmen! Die schießen mit modernen Waffen? Alle zerstören! Die würden auch mit Steinzeitäxten noch Amokläufe machen? Am besten gleich die Zeit zurückdrehen und Steinäxte nicht erfinden.

Da fragt man sich: Was ist eigentlich „Tech Against Terrorism“ (TAT)? Diese Initiative, registriert in London, hat folgendes Ziel: „Tech Against Terrorism is supporting the tech industry tackle terrorist exploitation of the internet, whilst respecting human rights.“ Sie bezeichnet sich als Arm des Counter-Terrorism Committee (CTC) des UN-Sicherheitsrats und ihres Counter-Terrorism Committee Executive Directorat (CTED) (Link). Immerhin nennt die TAT-Website als Unterstützer unter anderem Facebook, Google, Microsoft, Twitter, Telefonica, Kaspersky sowie die Außenministerien Spaniens und der Schweiz.

PR-Taktik: Diskussion zwecks Verunsicherung

Das besagte Papier fordert nun „a much-needed discussion about the decentralized web and open source licenses, its abuse by various entities, and appropriate human rights-compliant measures to prevent this from happening“. Wer das dezentralisierte Web in Frage stellt, weiß wohl nicht einmal, dass das Internet seit seinen Anfängen dezentral ist. Genau diese Grundfunktion macht es aus, und deswegen gibt es auch keine Instanz, die im Internet dessen Funktionsprinzip beschränken könnte.

Ebenso bei den Open Source-Lizenzen – und um die geht es eigentlich, denn die und nur die werden in dem Artikel mehrmals genannt: Wenn Open Source-Software frei verbreitet werden soll, sind lizenzrechtliche Einschränkungen der Nutzung eben nicht möglich, ohne die Freiheit der Nutzung aufzuheben. Es sei denn, man erklärt Open Source für illegal – und bringt damit die IT zum Erliegen. Will keiner, nicht einmal unter den TAT-Förderern.

Eine Diskussion zu fordern klingt so harmlos. Über Unsinn braucht man aber gar nicht erst zu diskutieren. Und es ist anzunehmen, dass der unbekannte Autor dieser Forderungen das auch weiß. Mithin ist nicht die Diskussion das Ziel. Es geht nur um eins: Mit Schreckvokabeln wie Rechtsextreme oder ISIS Verunsicherung zu schaffen bei all denen, die sich nun doch für Open Source erwärmen können.

*Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist i.R. in Kelheim.