Grafik: Arbeitsgruppe freie Software DortmundGrafik: Arbeitsgruppe freie Software Dortmund

Grafik: Arbeitsgruppe freie Software Dortmund

Staatliche Behörden und halbstaatliche Unternehmen aus Deutschland geben seit einiger Zeit ein Denkbar schlechtes Bild ab. Legde, Bundesbahn, Flugbereitschaft… Das Versagen von Behörden und staatlich beherrschten Firmen dominiert die Schlagzeilen und trägt erheblich zur Staats- und Politkverdrossenheit bei. Auch in Sachen IT geht es, im Gegensatz zu Proklamationen von „mehr Bürgernähe“, „Entbürokratisierung“ und „Offenheit“, herzlich schleppend voran. Der Autor durfte für den internationalen Führerschein ein PDF-Dokument online ausfüllen, dann daheim ausdrucken und zur Führerscheinstelle mitnehmen, wo alles noch einmal eingegeben werden musste. Für keine Seite hat sich irgendetwas gebessert. Jeder kann solche Geschichten erzählen, die unter IT vor 20 Jahren fallen.

Vor 20 Jahren? Damals ging es gerade los mit den ersten Ideen über Open Source in der öffentlichen Verwaltung (ÖV). Ein paar Jahre später nahm das Pflänzchen erste Formen an. Beherzte Projekte. Aber längst sind die einstigen „Leuchttürme“ passé. Während in der Wirtschaft Open Source um sich greift, hat die IT der ÖV einen Rückfall erlitten, selbst verschuldet und gemacht. Wer es als hinreichenden Wettbewerb ansieht, wenn er zwischen verschiedenen Microsoft-Anbietern wählen kann, so lautet allen Ernstes ein Argument in Behörden, hat es nicht besser verdient. Für den wäre wohl auch ein Monopol von VW keins, weil es ja verschiedene Händler gibt.

Und doch gibt es die ein oder andere Ausnahme. Thüringen, Schleswig-Holstein. Ein paar Kommunen machen weiter mit ihrer Open-Source-Orientierung, aber das sind kleinere. Ansonsten ist es nicht die IT-Leitung, die jenseits der Server und deren Administration ernsthaft Open Source ins Kalkül nimmt, sondern es sind IT-engagierte Bürger und manchmal die Grünen im Stadtrat, die Druck machen. Kürzlich hat der Autor hier über einen Vorgang in Kamen berichtet, wo schon die Prüfung der Möglichkeiten abgelehnt wurde.

Gleich nebenan, in Dortmund, war es vor drei Jahren nicht anders. Da ist eine Initiative Do-FOSS gegen Mauern gerannt. Und hat nicht aufgegeben. Vor einem Jahr hat der Verwaltungsvorstand der Stadt den Masterplan Digitale Stadtverwaltung um ein Projekt „Freie Software und Offene Standards“ erweitert, um die Potenziale von Open Source für die Verwaltungs-IT zu ergründen. Die Arbeitsgruppe, gebildet von Seiten der Stadtverwaltung aus dem Ausschuss für Personal und Organisation (APO) und dem stadteigenen Dortmunder Systemhaus (dosys) sowie Do-FOSS, hat jetzt in einem ersten Zwischenschritt eine eigentlich schon aus dem letzten Jahr stammende Präsentation veröffentlicht.

Wer die durchgeht, dürfte sich verwundert die Augen reiben. Mehr nicht? Nämlich eine Erklärung, was Open Source ist, noch mehr: was Software ist. Worauf das Softwaregeschäft basiert und was bei Open Source anders ist und so weiter. Alles erläutert in Nicht-IT-Sprache und mit ganz einfachen Beispielen. Spontan habe ich gedacht: wie vor 20 Jahren. Damals mussten meine Artikel bei der „Computerwoche“ immer „bei Adam und Eva anfangen“ (alte Journalisten-Maxime), weil sonst viele Leser und der damalige Chefredakteur nicht kapieren konnten, was Open Source so anders macht.

Und das muss heute noch sein? Anscheinend ja. Die Arbeitsgruppe hat diesen Ansatz sicher nicht von ungefähr gewählt. Sie hat offenbar erkannt, dass einem bei der Diskussion mit Politikern nichts anderes übrig bleibt, als bei Adam und Eva anzufangen. Und das stimmt mit den Erfahrungen überein, die Mitglieder der Open Source Business Alliance von ihren Gesprächen mit Politikern bundesweit, von der kommunalen bis zur Bundesebene berichten.

Im letzten Blogbeitrag hatte ich mich schon mit der verbreiteten Ahnungslosigkeit über Open Source auseinandergesetzt und die auch IT-Verantwortlichen in der ÖV vorgeworfen. Inzwischen glaube ich, dass es bei denen nicht Ahnungslosigkeit ist, sondern der Versuch, mit ein paar flotten Bemerkungen von oben herab „die Laien“ und zusätzlich Arbeit auf Distanz zu halten.

Frühere Äußerungen aus dem städtischen Dortmunder IT-Betrieb dosys ließen auch so etwas vermuten. Das hat sich wohl geändert. So ist die Dortmunder Initiative ganz und gar nicht unzufrieden mit dem scheinbar mageren Ergebnis. So heißt es in einem Blogbeitrag: „Do-FOSS hat den politischen Austausch positiv erlebt und ist gespannt, wie sich die Erkenntnisse in den Strukturen der Stadt Dortmund implementieren lassen.“ Man darf gespannt sein auf das Ergebnisdokument zur Evaluierung der Open-Source-Möglichkeiten, das die Arbeitsgruppe Ende diesen Jahres vorlegen will.

Auch wenn jetzt noch nichts Konkretes absehbar ist, so ist schon dieses Zwischenergebnis doch wertvoll. Im letzten Blog-Beitrag hatte ich zwei Dokumente genannt, mit welchen man sich auf die Auseinandersetzung mit IT-Verantwortlichen und Politikern vorbereiten kann: Das Dokument der Free Software Foundation Europe „Public Money Public Code – Modernising Public Infrastructure with Free Software“ und den Schweizer „Strategischer Leitfaden Open Source Software in der Bundesverwaltung“. Nummer Drei und die einfachste Grundlage ist „APO meets dosys. Freie Software. Arbeitsgruppe: Stadt Dortmund und Do-FOSS“.

*Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist in Kelheim.