11. Dezember 2019 – Erfolg für die OSB Alliance: Das Ministerium hat kurz nach Bekanntwerden unserer Kritik die diskriminierende Ausschreibung angemessen korrigiert und verweist nun unter Punkt 4.3 in der Leistungsbeschreibung auf die Einhaltung von offenen Standards:
„[…] Die Grundverwaltung von Identitäten und Gruppen erfolgt über einen Identitätsverwaltungsdienst. Das kann bspw. ein Azure Active Directory oder ein vergleichbarer Dienst sein. […]“

Die OSB Alliance erwartet, dass bei zukünftigen Ausschreibungen gemäß den allgemeinen Vorgaben vorgegangen und darauf verzichtet wird, bestimmte Produkte vorzuschreiben, wo dies technisch nicht erforderlich ist.

Pressemitteilung des Verbands vom 9. Dezember 2019

Das Kultusministerium des Landes Baden-Württemberg hat vergangene Woche eine Ausschreibung für ein neues Lernmanagementsystem an den Landes-Schulen veröffentlicht. Darin heißt es als Voraussetzung für dieses Lernmanagement unter Punkt 4.3: „Die Grundverwaltung von Identitäten und Gruppen erfolgt über ein (Microsoft) Azure Active Directory pro Schule.“(1) Dieser Satz schließt nicht nur weltweit bewährte Alternativlösungen von vornherein aus, er zwingt auch die Schulen, die für die Anmeldung von Lehrerinnen und Lehrern sowie von Schülerinnen und Schülern benötigten Daten ausschließlich über die Cloud Infrastruktur von Microsoft zu verwalten.

Nicht nachvollziehbare Ausschreibungskriterien

Diese Ausschreibung steht in scharfem Gegensatz zu den aktuellen bundes- und europaweiten Trends hin zu mehr Digitaler Souveränität und der verstärkten Nutzung von Open Source und anderen Technologien, durch die Herstellerunabhängigkeit, Innovationsfähigkeit und Kontrolle über Datenzugriffe möglich werden.

Als OSB Alliance ‒ Bundesverband für Digitale Souveränität verurteilen wir diese Ausschreibung als zukunftsfeindlich. Für das Land Baden-Württemberg ist sie mehr als schädlich.

Es ist als höchst bedenklich zu bewerten, dass Microsoft Azure Active Directory jetzt durch die Hintertür und ohne Vergabeverfahren eingeführt werden soll. Die jetzt veröffentlichte Ausschreibung erscheint damit als ungeeignete Reaktion auf den jüngst veröffentlichten Bericht des Landesrechnungshofs zum Scheitern der Bildungsplattform „ella“. Dieser Bericht macht u.a. mangelndes Projektmanagement in den Ministerien für das Scheitern verantwortlich. Auf Kosten von Datenschutz, freiem Wettbewerb und Innovationsfähigkeit soll nun anscheinend mit Microsoft eine „einfache“ Lösung durchgesetzt werden, bei der Microsoft Azure Active Directory womöglich nur der Anfang ist.

Volle Datenkontrolle für Microsoft

Gefährlich ist auch, dass Microsoft zentraler Gatekeeper für die Bereitstellung von Lernanwendungen in Baden-Württemberg werden soll. Das Unternehmen erhält damit die Möglichkeit, genau zu überwachen, wer wann und von wo auf welche Anwendung zugreift und kann so sehr umfangreiche Profile von Schüler*innen und Lehrer*innen erstellen. Damit stehen diese Informationen auch Stellen offen, die via CLOUD-Act-Erlass darauf zugreifen. Das verstößt unserer Ansicht nach massiv gegen die DSGVO.

Die Ausschreibung widerspricht auch eindeutig den Zielen der die Landesregierung in Baden-Württemberg tragenden Parteien. Diese haben sich dezidiert für Offenheit und die Förderung von Open Source ausgesprochen. Beispielsweise hat die das Ministerium stellende CDU gerade auf ihrem Bundesparteitag eine Digital-Charta verabschiedet, die die Souveränität über die Daten zum Ziel macht und sie eben nicht der willkürlichen Verwertung durch einen US-Konzern überlässt.

Ausschluss heimischer IT-Anbieter

Auch muss man sich nicht über eine vermeintlich chancenlose deutsche IT-Industrie wundern, wenn man ihr systematisch verweigert, sich mit den eigenen (zudem bewährten und weltweit eingesetzten) Lösungen zu bewerben. Sie sind schlicht ausgeschlossen.

Aufforderung an die Kultusministerin

Zitat Peter Ganten, Vorstandsvorsitzender der Open Source Business Alliance – Bundesverband für digitale Souveränität: „Ich fordere die baden-württembergische Bildungsministerin Dr. Susanne Eisenmann im Namen der OSB Alliance auf, diese Ausschreibung zurückzunehmen und die eindeutig diskriminierenden und Microsoft einseitig bevorzugenden Anforderungen zu streichen und diskriminierungsfrei neu zu formulieren.
Für weitere Informationen stehe ich gerne für persönliche Gespräche bereit.“

Die Stellungnahme ist als pdf hier herunterladbar.

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(1) Unten „Verhandlungsverfahren“ auswählen, man erhält eine Zip-Datei, in der sich unter anderem die Datei „Anlage 2 zum Vertrag – Leistungsbeschreibung.pdf“ befindet.