Stadt Bern weiter mit Microsoft“ meldete die „Berner Zeitung“ am 12.11.2015 online. Am gleichen Tag titelte „Der Bund“ in seiner Online-Ausgabe: „Stadt Bern will bei IT weg von Microsoft-Abhängigkeit“. Was nun? Kurios: Beide Zeitungen haben recht!
Von Ludger Schmitz*

IT-Verantwortliche bekommen es manchmal nicht nur mit der IT zu tun, sondern mit der Politik. Und das ist oft nicht gerade das Feld, auf dem sie sensibel und erfahren sind. So sollte der Stadtrat der Schweizer Bundeshauptstadt Bern am 12. November eigentlich für weitere sechs Jahre die Ausgaben für Microsoft-Lizenzen beschließen. Es kam ganz anders.

Zur Debatte stand ein Investitionspaket zur Anschaffung neuer Systeme für die Stadtverwaltung und für die Verlängerung der Lizenzen für Microsoft-Programme. Dieser Posten war begründet mit dem Hinweis, andernfalls werde Ende dieses Jahres die Verwaltung stillstehen. Das brachte dann Gemeinderäte auf die Barrikade, die sich nicht als Abnickgremium, so Regula Tschanz vom Grünen Bündnis, missbraucht sehen wollen.

Zeitung Bern weg
Die Gemeinderäte von sechs Fraktionen im Stadtrat stellten sich überraschend massiv quer. 6,4 Millionen Schweizer Franken für die neuen Systeme wurden bewilligt, aber in Sachen Microsoft-Lizenzen stellten sich die Räte mit 53 zu 11 Stimmen quer. Der Stadtrat gewährte lediglich 2,4 Millionen Franken für die nächsten drei Jahre. Außerdem erhielt die Stadtinformatik den Auftrag, vor Auslauf die Funktionen der momentan genutzten Microsoft-Produkte offen und herstellerneutral auszuschreiben, um für die Zeit ab Anfang 2019 auch Open-Source-Alternativen in Betracht ziehen zu können.

Geändert hat der Stadtrat mit seinem Beschluss das 6.1 Millionen Franken schwere Projekt Client-Migration Bern („CLIMB“). Die Räte verlangen von der Stadtverwaltung nun, bis Ende 2017 eine detaillierte Ablösungsstrategie von Microsoft- und Citrix-Produkten auszuarbeiten. Hier ist von Pilotprojekten, Prüfung von Alternativen, Entkoppelung von Fachanwendungen, technologischen Anpassungen und Weiterbildung die Rede.

Zeitung Bern dabei

Die Ende 2018 auslaufenden Verträge für Microsoft-Produkte dürfen nicht automatisch verlängert werden. Eine „offene und produktneutrale“ Ausschreibung ist Voraussetzung. Alle im Rahmen des CLIMB-Projekts anzuschaffende Hardware muss sich auch ohne Microsoft und andere proprietäre Produkte verwenden lassen. Ab sofort ist nur noch die Beschaffung von Fachanwendungen gestattet, die auch ohne proprietäre Produkte (namentlich von Microsoft) laufen können.

Die Entscheidung der Berner Stadträte will zwar explizit Unabhängigkeit von Microsoft, beugt sich aber – zunächst für drei Jahre – der Macht des Faktischen, also der bestehenden Abhängigkeit. Insofern haben beide eingangs zitierten Schweizer Zeitungen recht. Auch sei nicht verkannt, dass der Stadtrat keine Entscheidung für eine alternative IT-Strategie, etwa für eine Migration auf Linux oder Open-Source-Anwendungen wie LibreOffice getroffen hat.

Gleichwohl hat die Swiss Open Systems User Group /ch/open die Beschlusslage begrüßt. Die Organisation sei bereit, die Stadtinformatik bei einer Microsoft-Ablösungsstrategie zu unterstützen.

*Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist in Kelheim.