Lothar Becker, Mitglied des erweiterten Vorstands der OSB Alliance

Die Landesregierung in Baden-Württemberg hat in ihrem aktuellen Koalitionsvertrag festgelegt, dass das Gesetz für den landeseigenen IT-Dienstleister BITBW (Landesoberbehörde IT Baden-Württemberg) in der laufenden Wahlperiode angepasst werden soll, damit sich die BITBW im Sinne der digitalen Souveränität als leistungsstarke IT-Dienstleisterin etablieren kann. Bei einer öffentlichen Anhörung zu diesem Thema im Landtag Baden-Württemberg nahm auch Lothar Becker als Vertreter der OSB Alliance teil und erläuterte die Bedeutung von Open Source Software für eine digital souveräne Landesverwaltung.

Die Bundesregierung will laut Koalitionsvertrag digitale Souveränität stärken und dafür bei Softwarebeschaffung und Eigenentwicklungen in erster Linie auf Open Source Software setzen. Das ist aber zunächst nur eine Absichtserklärung. Bisher fehlen noch konkrete Ansätze, dieses Ziel innerhalb der laufenden Legislaturperiode umzusetzen. Ein von der Open Source Business Alliance in Auftrag gegebenes juristisches Gutachten macht jetzt spezifische Vorschläge, welche Hebel in Frage kommen und wie ein Vorrang von Open Source Software bei der Beschaffung rechtssicher gesetzlich verankert werden kann.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) plant eine Reform des Vergaberechts („Vergabetransformationspaket“). Im Vorfeld der Gesetzesreform hat das Ministerium Bürgerinnen und Bürger, Verbände und Unternehmen dazu aufgerufen, Stellungnahmen dazu abzugeben, welche Schwerpunkte hierbei besonders berücksichtigt werden sollen. Die Open Source Business Alliance hat beim BMWK eine Stellungnahme eingereicht und dafür geworben, digitale Souveränität und Open Source Software bei der Vergaberechtsreform besonders in den Fokus zu nehmen.

Künstliche Intelligenz bietet ein enormes Potential für die medizinische Praxis und Forschung. Die Zahl der Zulassungen wird in den kommenden Jahren voraussichtlich weiter steigen, woraus sich zahlreiche technische, rechtliche und ethische Herausforderungen ergeben. Auch in Europa wird deswegen die Regulierung von KI in der Medizin diskutiert, um einerseits die technischen Potentiale zu nutzen und andererseits europäische Werte und Grundrechte zu wahren. Dabei sind insbesondere Fragen zur Verantwortung, zur Güte von Daten und Algorithmen sowie zum Schutz individueller Gesundheitsdaten umstritten.

Zum Ende des Jahres 2022 ist das bisherige Onlinezugangsgesetz ausgelaufen, das die Digitalisierung der deutschen Verwaltung steuern und vorantreiben sollte. Für das Nachfolgegesetz liegt jetzt ein erster Referentenentwurf vor. Die Open Source Business Alliance hat im Rahmen der Verbändeanhörung eine Stellungnahme zum Gesetzentwurf abgegeben.

Das Fazit der OSB Alliance: Die Bedeutung von Open Source Software und offenen Standards für eine digital souveräne und effiziente Verwaltung wird im Gesetzentwurf nicht berücksichtigt. Dadurch bleibt Potential ungenutzt. Die im Entwurf vorgeschlagenen Änderungen reichen nicht aus, um die Verwaltungsdigitalisierung entscheidend voranzubringen und zu beschleunigen.

Einheitliche und insbesondere offene Standards sind essentiell für eine schnellere Verwaltungsdigitalisierung, um Interoperabilität zwischen Systemen zu gewährleisten. Sie tragen so auch entscheidend zur Wechselfähigkeit zwischen Anbietern bei. Die Frage der Standardisierung ist daher zentral für die Stärkung der digitalen Souveränität. Der DIN-Normenausschuss Informationstechnik und Anwendungen (NIA) hat deshalb das Projekt „Whitepaper zur Rolle der Normung bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung“ veröffentlicht.

Die Eclipse Foundation und führende europäische Open-Source-Software-Verbände, darunter die OSB Alliance, haben gemeinsam einen offenen Brief an die Europäische Kommission bezüglich des Cyber Resilience Act (CRA) gerichtet. Die aktuelle Entwurfs-Fassung des CRA birgt unnötige wirtschaftliche und technologische Risiken für die Entwicklung der Europäischen Union, weil die speziellen Bedürfnisse, Perspektiven, Eigenschaften und Entwicklungsmethoden von Open Source Software nicht ausreichend berücksichtigt wurden.

Aktuelle geopolitische Krisen zeigen deutlich, wie verwundbar wir als Staat, als Wirtschaft und als Gesellschaft sind, wenn wir uns in zu großen Abhängigkeiten befinden. Daher muss die Ablösung von heute in höchstem Maß vorhandenen digitalen Abhängigkeiten von einzelnen Technologieanbietern, insbesondere in der öffentlichen Verwaltung, jetzt mit höchster Priorität angegangen werden. Die wichtigen Vorhaben zur Stärkung der digitalen Souveränität müssen deshalb mit ausreichenden finanziellen Mitteln mit eigenen Haushaltstiteln im Bundeshaushalt 2023 verankert werden.

Die Nutzung von Cloud-Angeboten erlaubt es, Teile digitaler Infrastruktur zuverlässig „aus der Steckdose“ zu beziehen und verbrauchsabhängig zu bezahlen, ohne sich beispielsweise um Fragen der Skalierung kümmern zu müssen. Die öffentliche Hand ist deswegen grundsätzlich gut beraten, Cloud-Angebote zu nutzen, wo immer es sinnvoll möglich ist. Allerdings bestehen dabei in besonderem Maße Anforderungen an den Schutz von Daten sowie an die nachhaltige Sicherstellung von Betriebs- und Gestaltungsfähigkeit digitaler Infrastrukturen.

Es ist erfreulich, dass an verschiedenen Stellen in der Digitalstrategie die Absicht erklärt wird, Open Source Software zu fördern oder beispielsweise bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes den Einsatz von Open Source Software zu priorisieren. In einigen Punkten hätten wir uns mehr Konsequenz gewünscht, zum Beispiel ein klares Bekenntnis zum verbindlichen Einsatz von Open Source Software durch die öffentliche Verwaltung, klarere Pläne zur Umsetzung der Ziele und eine stärke Einbindung der Zivilgesellschaft in Standarisierungsgremien.