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Zum nächsten Ersten sollen für Microsoft Services neue „Terms of Services“ (TOS) in Kraft treten. Wie die IDG-Publikation „CSO“ schreibt, verbieten die Nutzungsbestimmungen „offensive language“, also „beleidigende Sprache“, und „fraudulent activity“, widerrechtliche Aktivitäten. Wer sich nicht an die Regeln hält, der kann von einem Service, der über Microsoft-Server läuft, ausgesperrt werden.

Jetzt dürfte das Landgericht Hannover übel dran sein. Das nutzt nämlich seit dem letzten Monat Skype für Anhörungen von Gefangenen, bei denen es um die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung geht. Leider sind die meisten dieser Leute nicht gerade für geschliffene Manieren bekannt. Auch wenn es für sie bei den Anhörungen um viel geht, könnten da schon mal Worte dem Gitter der Zähne entweichen, für die ein Richter aus Erfahrung vielleicht noch Verständnis hat. Aber Microsoft? Aber selbst Richter und Anwälte sprechen von „Drogen“, „Erpressung“ oder „Raub“, und schon kann das Landgericht „Skype for Business“ nicht mehr nutzen. Verletzung der Terms of Services, Skype-Account gesperrt.

Das wäre es dann gewesen mit Skype bei Gerichten. Und das wäre auch gut so. Es ist ohnehin sehr fraglich, ob sich Skype-Nutzung mit der General Data Protection Regulation der EU (GDPR) und der deutschen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vereinbaren lässt. Nach dem „beA“-Skandal um elektronische Anwaltspost gelingt unserer Juristerei gleich die nächste Digitalisierungspeinlichkeit.

Zum Lachen sind die Microsoft-TOS auch für Privatpersonen nur auf den ersten Blick. Wer auf seiner Xbox Live, also mit Freunden auch akustisch verbunden, spielt, sollte besser nicht fluchen oder schimpfen. Der CSO-Artikel fragt logischerweise, ob nun der Shooter „Call of Duty“ nicht mehr möglich sei? Auf Microsoft-Cloud-Services sind anzügliche Texte oder Fotos verboten. Was ist für Skype beleidigend? Was einer als beleidigend empfindet, kommt bei anderen als normale Sprache oder gar britischer Humor an. Worte haben etwas mit einem sehr weiten sozialen und sprachlichen Kontext zu tun. Microsoft muss Maschinen zur Kontrolle einsetzen, muss Algorithmen entscheiden lassen. Content-Roboter entscheiden, was wir sagen und schreiben dürfen.

Riskiert demnächst die Windows-Lizenzen seiner Rechner, wenn Microsoft beim Standard-Download der dort gespeicherten Informationen („Sicherheits-Update“) feststellt, dass der Anwender das Unternehmen mit seiner Kritik beleidige? Da wäre ja endgültig der Grund, Desktops auf Linux umzustellen. Wer hätte das gedacht?

Der CSO-Artikel erklärt übrigens, dass Microsofts neue Terms of Services wohl ihre Ursache im „Fight Online Trafficking Act“ (FOSTA) und dem „Stop Enabling Sex-Trafficking Act“ (SESTA) haben. Beide Gesetze hat der US-Kongress verabschiedet, erstaunlicherweise gegen die Empfehlung des Justizministeriums. Nach ihren Inhalten sind Plattformen verantwortlich für die Sprache (!) der Anwender, illegale Inhalte und illegalen Handel (Frauen, Kinder, Drogen, Waffen). Mit welchem Recht maßen sich die USA an, andere Staaten (China, Iran, Kuba) wegen Internetzensur zu kritisieren? Die USA waren einmal „the land of the free“, das das Leitbild der Demokratie und Freiheit weltweit verbreiten wollte. Ende der Maskerade.

Die US-Gesetze tangieren uns in Deutschland, weil es in den USA seit 2001 (!) den „Patriot Act“ gibt, wonach US-Behörden von Firmen mit Hauptsitz in den USA auch den Zugriff auf Daten von ausländischen Kunden und auf ausländischen Servern verlangen kann. Nach dem „National Security Letter“ dürfen sie darüber hinaus untersagen, dass die Betroffenen über den Zugriff informiert werden. Das verträgt sich nun überhaupt nicht mit europäischen und deutschen Datenschutzbestimmungen. Und deshalb ist die Nutzung von Cloud-Services US-amerikanischer Anbieter auch dann in sehr vielen Fällen nicht möglich, wenn die Server nicht in Deutschland stehen. Von der Möglichkeit des Ausspionierens von Firmengeheimnisse ganz zu schweigen, Edward Snowden hat genug davon berichtet.

Dieser schon viel ältere gesetzlich Rahmen in den USA – den Pariot Act gibt es seit 2001 – hat schon den Cloud-Boom in Europa, vor allem in Deutschland, stark ausgebremst. Das Ergebnis waren Private Clouds und viele hiesige Cloud-Angebote. Microsofts Terms of Agreement könnten einen ähnlichen Effekt bei Skype haben.

Der Skype-Fall am Landgericht Hannover zeigt noch einmal, dass sich in eine gefährliche Abhängigkeit begibt, wer Services US-amerikanischer Anbieter nutzt. Man wird doppelt abhängig: vom Anbieter und von einem ausländischen Gesetzgeber.

*Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist in Kelheim.