Von Ludger Schmitz*

Krankheitsbedingt komme ich erst jetzt dazu, auf etwas einzugehen, das viele Zeitgenossen wohl mit einem achselzuckenden „schön und gut, aber wen juckt’s“ abtun werden. Dieses Mal aber habe ich das Gefühl, diese Sache wird noch einmal wichtig werden. Zumindest wird es einmal ein gewichtiger Stein im Fundament einer alternativen Herangehensweise an IT. Es ist das Manifest für Nutzerdaten, im Originaltitel: „User Data Manifesto“, eine gemeinsame Erklärung von Free Software Foundation Europe (FSFE), GNOME, KDE, Netzpolitik.org, ownCloud, Spreed, „Terms of Service – Didn’t Read“ und X-Lab.

Das Manifest definiert drei Grundrechte der Anwender:

1. „Kontrolle“: Ausschließlich die Anwender haben das Recht zu entscheiden, wer Zugriff auf ihre Daten hat und unter welchen Bedingungen und Lizenzen er erfolgen darf. Das gilt auch für die Metadaten.

2. „Wissen“: Die Anwender sollen erfahren, bei welchem Service-Provider, in welchem Land und unter welcher Gesetzgebung ihre Daten wie lang gespeichert werden.

3. „Freiheit“: Anwender haben das Recht, jederzeit und ohne Barrieren ihre Daten von einer Plattform abzuziehen.

Die Anwenderdaten, um die es hier geht, sind dabei nach Definition der Manifests jene, die ein User selbst auf eine Plattform hochlädt. Das betrifft also beispielsweise Profile auf Socialmedia-Plattformen oder Fotos, Videos und Audiodateien auf Cloud-Speichern.

Die Nutzung solcher Plattformen ist recht weitgehend kostenlos; allerdings räumen sich die Anbieter in ihren Geschäftsbedingungen erhebliche Nutzungsrechte ein. Das Manifest wendet sich dagegen, dass auf diese Methode, die User nichts von der Nutzung ihrer Daten haben, geschweige denn Rechte, um über die Nutzung zu entscheiden. Ferner möchte die Initiative dem Missbrauch der Daten für Werbezwecke und insbesondere für die staatliche Überwachung der Anwender Grenzen setzen.

Die Kommentare auf die Berichterstattung bei Heise über das User Data Manifesto zeigten durchaus Verständnis für die Forderungen. Allerdings war dabei auch eine Einschränkung zu erleben: „Sehr gut, aber leider zwecklos“. Es ist eine weitgehend nachvollziehbare Reaktion von Leuten, die Fortschritten der IT inzwischen eher skeptisch gegenüber stehen. Elfundneunzig Mal haben sie erlebt, dass IT-technische Fortschritte regelmäßig Konzernen und Regierungen zum Vorteil, den Menschen aber zum Nachteil erwachsen.

Allerdings ist da noch etwas. Kommen die drei Manifest-Forderungen einem „irgendwie bekannt“ vor? Kein Wunder. Dies waren schon vor Jahren in der Diskussion um „Open Cloud Computing“ zentrale Forderungen. Am 1. April 2009 erschien ein „Open Cloud Manifesto“. Allerdings ging es damals um die Rechte von Organisationen, also von Unternehmen und Institutionen, in der Cloud. Dieses Mal geht es um die persönliche Rechte jedes einzelnen Anwenders.

Dass Open Cloud Computing einmal Realität werden könnte, war vor Jahren auch nicht unbedingt zu erwarten. Inzwischen gibt es die „Deutsche Wolke“ und die Open Cloud Alliance, die Selbstbestimmung der Anwender in die Cloud-Praxis umsetzen. OpenStack ist damit bereits überaus erfolgreich, auch wenn man hier aufpassen muss, nicht indirekt wieder in proprietären Fesseln zu landen.

Es geht also was. Gute Dinge müssen halt reifen. Ein Internet zur Manipulation und Kontrolle der Menschen hat ohnehin keine Zukunft. In ein paar Jahren wird rückblickend zu erkennen sein, wie zukunftsweisend die Forderungen des Manifests einmal waren.

*Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist in Kelheim.