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Github hat 6000 Mitwirkende zu ihren Erfahrungen in Open-Source-Projekten befragt. Die Ergebnisse zeigen auch, dass in vielen Projekten wohl einiges schief läuft.
*Von Ludger Schmitz

Es soll mir keiner nachsagen, hier nur nach einem alten Journalistenspruch zu verfahren, der da lautet: „Bad news are good news“. Also die angenehmeren Befunde der Github-Befragung zuerst: Open-Source-Entwicklung ist absolut keine Freizeitbeschäftigung von Programmierern. Mehr als zwei Drittel der Beteiligten haben feste Ganztags- oder Teilzeitjobs, und von diesen tragen 85 Prozent in ihrer normalen Arbeitszeit zu Open-Source-Projekten bei.

So gut wie alle verwenden in ihrer beruflichen Tätigkeit quelloffene Software, die bei weitem meisten sogar häufig. Und in zwei von drei Fällen gehört die Projektbeteiligung zu ihren Arbeitsaufgaben. Die meisten Arbeitgeber haben also verstanden, dass Open Source kein Selbstbedienungsladen ist, sondern durch Mitarbeit ihrer Leute besser wird.

Mehr Arbeitgeber unterstützen Open-Source-Entwicklung

Acht von zehn Arbeitgebern der Befragten ermuntern diese, quelloffene Anwendungen zu verwenden, während es nur bei 13 Prozent diesbezüglich keine Regeln gibt. 13 Prozent dürfen ausdrücklich ihr in der Arbeitszeit geschaffenes geistiges Eigentum Open-Source-Projekten überlassen. Der Hälfte der Arbeitgeber sind die IP-Rechte einfach schnuppe. In gut einem Viertel der Fälle gibt es überhaupt keine IP-Regelungen.

Sicherheit und Stabilität werden die Befragten generell bei Software als wichtigste Aspekte. Erst mit Abstand kommen etwa gleichauf die Gesichtspunkte Anwendungsfreundlichkeit, Kompatibilität und Transparenz. Und noch einmal deutlich weniger wichtig sind Anpassbarkeit sowie Kosten. Allerdings sehen sie das quelloffener Software nicht unbedingt gegeben: Nur 58 Prozent meinen, Open-Source-Software sei besser als proprietäre. Bei der Anwendungsfreundlichkeit sind es nur 36 und bei der Stabilität 30 Prozent. Trotzdem entscheiden sich fast drei von vier der Befragten im Zweifel für Open Source.

Insider berichten von unschönen Erfahrungen

Das erklärt sich wohl damit, dass hier eben Leute befragt wurden, die sich aktiv in der Open-Source-Entwicklung beteiligen. Entsprechend haben sie Insider-Erfahrungen, und die sind nicht ungetrübt. Offenbar sind die Einstiegshürden hoch und im Verlauf der Mitarbeit Kommunikationsprobleme häufig.

Unvollständige oder veraltete Dokumentation haben fast alle Beteiligten (93 %) schon erlebt. Aber erstaunlicherweise geben auch 60 Prozent an, nur selten oder nie Dokumentation zu machen. Unempfänglichkeit für Vorschläge haben vier von fünf Beteiligte schon erlebt Die Lizenzform von Projekten entscheidet bei zwei Dritteln der Befragten, ob sie mitmachen oder nicht. Fast ein Viertel gibt an, Englisch nicht sehr gut zu verstehen. Elaborierte Sprache oder Slang wirken also abschreckend.

Unsoziales Verhalten vertreibt Engagierte

Es kann aber leicht noch dicker kommen: Mehr als die Hälfte der Entwickler hat schon geringschätzige Antworten erlebt, und das ist noch gar nichts. Jeder zweite hat schon negative Auseinandersetzungen zwischen Projektbeteiligten mitbekommen, 18 Prozent habe sie selbst erfahren. Am häufigsten sind
• Grobheiten (45 % beobachtet, 16 % selbst erfahren),
• Beschimpfungen (20 %, 5 %), und
• Klischees (11 %, 3 %).

Viel ernstere Vorfälle wie sexuelle Belästigungen, Stalking oder Bloßstellen durch Veröffentlichung persönlicher Informationen haben zwar jeweils weniger als zwei Prozent selbst erfahren, aber immerhin 14 Prozent waren Zeuge solcher Vorgänge. Insbesondere Frauen, nämlich jede vierte, berichten von „Sprache oder Inhalten, durch die sie sich unerwünscht fühlten. Bei den Männern waren es 15 Prozent. Bei 21 Prozent der Zeugen und Betroffenen war derlei der Grund, aus Open-Source-Projekten auszusteigen.

Linux Torvalds ist auch kein Heiliger

Solchen Vorgängen entgegen zu treten ist Sache aller Projektteilnehmer, vor allem aber der gewählten Projektleiter. Letztere sind allerdings öfter für rüde Umgangsweisen bekannt. Linus Torvalds ist der für seine frostige bis scharfe Sprache geradezu berühmt. Das hat Methode, wie der Linux-Initiator einmal im Gespräch mit dem Autor erklärt hat: Er habe keine Zeit, sich mit Trolls oder Besserwissern herumzuschlagen, vor allem Inkompetenz mache ihn wütend.

Der Methode Torvalds scheinen etliche Projektbeteiligte nachzueifern. Es wäre besser, sich sozialere Kommunikationsformen anzugewöhnen und gegebenenfalls Unerwünschtes aktiv abzublocken. Projekte, die ihre Arbeit gut dokumentieren und gegen unsoziale Aktivitäten einschreiten, ziehen mehr Entwicklerinnen und Entwickler an. Das ist die lehrreiche Empfehlung aus der Github-Studie.

*Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist in Kelheim.