Handreichung zur Nutzung der EVB-IT beim Einsatz von Open Source Software, 2. aktualisierte Auflage 2018

Handreichung zur Nutzung der EVB-IT beim Einsatz von Open Source Software
– Beschaffung von Open Source Software für Behörden und öffentliche Einrichtungen –

Herausgeber: Working Group Public Affairs der OSB Alliance
Autor: Dr. Till Jaeger, JBB Rechtsanwälte, www.jbb.de

Die in der Handreichung enthaltenen Formulierungsvorschläge können ohne Beschränkungen für Verträge und Ausschreibungsunterlagen verwendet werden.

Die Formulierungsvorschläge können im Übrigen unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Lizenz
„Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland (CC BY-SA 3.0 DE)“
genutzt werden:

© 2. Auflage 2018 Open Source Business Alliance e.V.
Autor: Dr. Till Jaeger
Titel: Handreichung zur Nutzung der EVB-IT beim Einsatz von Open Source Software
Lizenz: CC-BY-SA 3.0 DE (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/)

Vorwort zur 2. Auflage zu der Handreichung EVB-IT

Die Nutzung von Open Source Software in allen Bereichen der Informationstechnologie ist inzwischen eine aus guten Gründen etablierte Praxis in öffentlichen Verwaltungen sowie Unternehmen jeder Größe. Zunächst war es das Betriebssystem Linux, das sich als gleichermaßen flexible, zuverlässige und kostengünstige Alternative zu proprietären Angeboten in Spezialbereichen durchsetzte und dann gerade bei Serveranwendungen zum wichtigen Industriestandard wurde. Später kamen so genannte „Middleware“-Systeme wie Datenbanken oder Serverdienste hinzu. Inzwischen sehen wir den Vorzug von Open Source Lösungen sogar für den Betrieb von komplexen „Cloud-Infrastrukturen“ wie zum Beispiel bei der Bundescloud. Und auch mit immer mehr Anwendungen auf dem Arbeitsplatz wie dem Webbrowser Firefox und der freien Officesuite LibreOffice, aber auch mit professionellen Fachanwendungen für spezialisierte Einsatzfelder, steigt die Anzahl verfügbarer und erprobter offener Software und ihrer Cloudvarianten schnell.

Im Kern bedeutet „Open Source“ bei Software, dass sie unter einer bestimmten, oft als „frei“ bezeichneten Lizenz überlassen wird. Durch diese wird dem Lizenznehmer umfassende Rechte eingeräumt, die er bei proprietärer Software nicht erhält. Sie umfassen vor allem das Recht, den von den Programmierern der Software erstellten und für Änderungen benötigten Quellcode (den Source-Code) einzusehen und die Software frei zu verändern. Darüber hinaus darf sie in ursprünglicher oder veränderter Form in beliebiger Weise eingesetzt werden. Und es ist erlaubt, sie an Dritte weiterzugeben, denen dann die selben Rechte eingeräumt werden können (und in bestimmten Fällen sogar müssen). Diese mit Open Source Software verbundenen Rechte haben es ermöglicht, dass sich große, weltweite Communities von Programmierern und auch Anwendern bilden konnten. Wichtige Open Source Software wird gemeinsam gepflegt und bildet mittlerweile die Basis für große Teile der IT-Industrie, die selbst in diesen Communities meist sehr aktiv vertreten ist.

Regierungen und Unternehmen auf der ganzen Welt machen Open Source Software heute zur strategischen Basis für ihre IT-Umgebungen. Das liegt zum einen natürlich an den oft erheblichen Vorteilen im Hinblick auf Transparenz und Flexibilität und damit natürlich auch auf eine langfristige Wirtschaftlichkeit. Der Einsatz von Open Source Software ermöglicht auch in erhöhtem Maß die Partizipation an der Entwicklung des Codes oder diesen an die eigenen Bedürfnisse anzupassen. Die damit verbundene Wertschöpfung muss dann nicht mehr zwangsläufig durch den ursprünglichen Hersteller erfolgen, sondern ist in viel mehr Fällen auch vor Ort und dadurch verbunden mit einer regionalen Wirtschaftsstruktur- und Innovationsförderung möglich. Darüber hinaus können einmalig öffentlich finanzierte Entwicklungsaufwände für gleiche Aufgaben unterschiedlicher Behörden mehrfach genutzt werden. Zum anderen liefert Open Source völlig unkompliziert die Voraussetzung für eine unabhängige Kontrolle auf mögliche Sicherheitslücken oder Hintertüren, ein Aspekt der gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion über die digitale Souveränität des Staates enorm an Bedeutung gewonnen hat.

Die öffentliche Hand hat also ein Interesse daran, bei jeder Beschaffung von Software auch Open Source in Erwägung zu ziehen und ihr eine faire Chance einzuräumen. Bei ansonsten gleichen Eigenschaften sollte Open Source Software aufgrund der ihr eigenen Vorteile darüber hinaus bevorzugt werden. Genau dies hat in der Vergangenheit aber manchen Beschaffer vor neue Herausforderungen gestellt. Schließlich muss es auch beim professionellen Einsatz von Open Source Leistungen wie vertraglich zugesicherte Pflege der Software sowie andere notwendige Supportdienste geben. Andererseits sind aber die gewohnten und erprobten Lizenzmechanismen und die damit verbundenen Wartungsgarantien und Supportdienst-leistungen nicht per se geregelt, so dass unter Umständen ungewohnte Wege beschritten werden müssen.

Sehr hilfreich dabei ist, dass die Beschaffung von Open Source Software und verbundener Dienstleistungen auch unter Anwendung der EVB-IT-Musterverträge ohne Weiteres möglich ist. Dieses Dokument soll vor allem Praktikern aus der Beschaffung als Werkzeug dienen, dabei effektiv und rechtssicher vorzugehen. Gleichzeitig soll es notwendige Hintergründe und Detailwissen vermitteln.

Wir freuen uns, dass wir erneut nach der Neuauflage des EVB-IT-Mustervertragswerks den „Open Source Papst unter den Juristen“, Rechtsanwalt Dr. Till Jaeger für diese umfassende Arbeit gewinnen konnten und danken ihm sehr für die nun vorliegende Überarbeitung dieser Handreichung. Vor allem aber hoffen wir, dass diese auf die aktuellen Vertragsmuster hin überarbeitete Handreichung für Sie, liebe Beschafferinnen und Beschaffer, hilfreich ist. Auch mit dieser zweiten Ausgabe der Handreichung sind wir weiter auf Ihre Rückmeldungen und Hinweise angewiesen. Genauso bieten wir als Verband natürlich bei grundsätzlichen Fragen gerne unsere unverbindliche Hilfe an, entsprechende Kontaktdaten finden Sie im Impressum.

Mit den neuen EVB-IT-Verträgen sowie dieser Handreichung ist die Einbeziehung von Open Source in die Beschaffung von IT-Lösungen einfacher denn je!

Lothar K. Becker
Sprecher Working Group Public Affairs und stellv. Sprecher Working Group Office Interoperability

Holger Dyroff
Vorstand OSB Alliance und stellv. Sprecher Working Group Public Affairs

Stuttgart, im Mai 2018