Wieder einmal hat Oracle wegen der Lizenzkosten großen Ärger mit den Kunden. Immer mehr bereiten den Absprung vor. Die Hinwendung zu Open-Source-Alternativen für Datenbanken belegen mehrere Umfragen.

 

Von Ludger Schmitz*

„Hund beißt Briefträger“ und „Anwender sauer auf Oracle“ gelten nach Regeln des Journalismus als klassische No-News, weil alltäglich. Diesmal kommt es ärger, nicht für die Briefträger, sondern für Oracle, was die zweite Schlagzeile dann doch „news-worth“ macht. Die Fakten in Kürze: Oracle verlangt für die Einbindung der Datenbank in virtuellen Umgebungen – auch im Nachhinein – Lizenzkosten, die sich über die reale Nutzung hinaus auch auf die mögliche beziehen. Das Ziel läuft offenbar darauf hinaus, die Anwender zum Gebrauch der kostenträchtigen Oracle VM statt anderer Virtualisierungslösungen zu zwingen. Genaueres erläutert ein Artikel der „Computerwoche“.

Die Deutsche Oracle Anwendergruppe (DOAG) warnt den Datenbank-Marktführer, dies würden viele Anwender „nicht mehr akzeptieren“, sie wollten „sich der drohenden Nachlizenzierung für Oracle-Datenbanken entziehen“. Zum Beleg präsentiert die DOAG die Ergebnisse einer Umfrage unter Mitgliedern: 34 Prozent, die größte Gruppe, wollen Oracle-Datenbanken ablösen, weitere acht Prozent wollen Oracle nicht mehr in virtualisierten Umgebungen benutzen.

Offenbar ist nicht absehbar, sondern längst Realität, dass Oracle – aber auch anderen proprietären Anbietern relationaler Datenbank-Management-Systeme (RDBMS) – die Anwender fortlaufen. Und das hat nichts mit der aufkommenden Konkurrenz durch NoSQL-Datenbanken zu tun. Nach einer aktuellen Umfrage von EnterpriseDB haben 37 Prozent der Anwender Applikationen von Oracle und MicrosoftSQL zu Postgres migriert. Noch einmal 37 Prozent wollen Legacy-Datenbanken schrittweise durch Postgres ersetzen. 77 Prozent verwenden bereits für alle neuen Applikationen Postgres im Backend. 55 Prozent tun das auch für unternehmenskritische Anwendungen, vor zwei Jahren waren das noch 40 Prozent.

Das ist wohl nicht nur bei den Postgres-Anwendern so. Auch MariaDB, die Firma hinter dem gleichnamigen Open-Source-RDBMS, berichtet immer wieder von Ablösungen. Hier geht es außerdem noch darum, dass Anwender des einst rühmlichen Open-Source-Produkts MySQL abzuwerben. Das Marktforschungsinstitut Gartner hat im April mit der Studie „The State of Open-Source RDBMS 2015“ den Trend weg aus proprietären Datenbankwelten bestätigt (Auszüge hier). Das gleiche Bild der Flucht, insbesondere weg von Oracle und Microsoft, vermitteln die Rankings von db-engines.com.

Gartner stellt eine gegenüber älteren Studien völlig veränderte Situation am Datenbank-Markt fest. Während für RDBMS insgesamt in den letzten zwölf Monaten ein Plus von 5,4 Prozent zu verzeichnen war, kamen die Open-Source-Systeme auf ein Plus von 31 Prozent. Das wichtigste Argument ist für die Anwender laut Gartner unverändert die Kostenfrage. Tatsächlich präsentieren die Analysten eine Beispielrechnung, die krasse Preisunterschiede offenbart.

Auffällig ist, dass Gartner die Eigenschaften und das Umfeld der Open-Source-Datenbanken im Vergleich zum proprietären Wettbewerb inzwischen deutlich besser bewertet. Demnach sind die Open-Source-Angebote bei unternehmenskritischen Anwendungen auf gleichem Niveau. Bei funktionaler Vielfalt, beim Angebot von Tools und bei der Verfügbarkeit von Administratoren sind die proprietären nur noch hauchdünn voraus. Weit überlegen sind Open-Source-Datenbanken in puncto Total Cost of Ownership, wo 2009 noch günstigere Fachkräfte und die Breite der Angebots an Tools der proprietären Welt Vorteile verschafft hatte.

Gartner kommt zu einem eindeutigen Ausblick: „2018 werden 70 Prozent der In-house-Anwendungen auf einem Open-Source-DBMS entwickelt. Und 50 Prozent der bestehenden kommerziellen RDBMS-Instanzen werden migriert oder in der Migration sein.“ Die Analysten geben den Anwendern zwei Tipps, was sie mindestens machen sollten: Sie sollten eine Open-Source-Datenbank grundsätzlich für neue Zwecke und für solche Anwendungen verwenden, die keine speziellen Funktionalitäten voraussetzen. Und sie sollten immer dann zu Open-Source-Datenbanken wechseln, wenn der Anbieter einer Anwendung diese als „Platform of Choice“ bezeichnet.

*Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist in Kelheim.