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Wer vom Staat ganz, ganz viel will, aber nicht recht begründen kann, wieso und wozu, ummantele die Wünsche mit Phrasen, stecke alles in einen Sprachnebelwerfer und feuere den Richtung Berlin ab.

Von Ludger Schmitz*

Der Bundesverband der IT- und Kommunikationsanbieter, Bitkom, hat eine Stellungnahme zur Digitalen Agenda der Bundesregierung herausgegeben. Vor der Lektüre sei gewarnt; sie könnte Augenkrebs auslösen und zu Verknotungen der Synapsen führen. Wer’s unbeschadet überlebt, ist bereichert um ausreichend Schlagworte, um eine Vollversammlung der lokalen Industrie- und Handelskammer besoffen zu reden.Wir brauchen also nicht nur eine „digitale Transformation“, sondern eine „digitale Revolution“ (das Adjektiv macht sie passabel), um „digitale Souveränität“ und „internationales Spitzenniveau“ zu erreichen. Dass diese Digtal-Mixtur „Priorität“ haben soll, reicht nicht, sie muss „oberste“ haben. So kommt man zum „digitalen Ökosystem“ mit „Tech-Start-ups“, nein, der Bitkom ist nicht High, im „digitalen Raum“, der irgendwo zwischen „den beiden Extrempolen Fremdbestimmung und Autarkie“ liegt. Dort herrscht dann „digitale Handlungsfähigkeit von Staat und Verbrauchern“, wenn es „mehr (!) Anbietersouveränität“ gibt, während sich „Anwendersouveränität entwickeln“ darf. Damit das gemeine Volk fähig ist, das Zeug zu kaufen?

Um das so umschwafelte Wunderland von morgen zu gestalten, schlägt der Bitkom ganz wichtige Dinge vor: „Leistungszentren“ sollen zu einem „europäischen Netzwerk“ verbunden werden, das „die digitale Wirtschaft möglichst vollständig abbilden sollte“, und zwar „in seiner Gänze“. So wird „Deutschland Standards für die Weltmärkte“ setzen; „Wer Standards setzt, bestimmt den Markt“, und Globalisierung ist eine Einbahnstraße.

In Deutschland und EU-weit müssen „noch in der ersten Hälfte der aktuellen Legislatur“ neue „ordnungspolitischen und rechtlichen Rahmenbedingungen“ her. Und zwar für „Urheber-, Wettbewerbs- und Steuerrecht, den Außenwirtschafts-, Daten- und Verbraucherschutz sowie die Telekommunikations- und Medienordnung“. Wahrscheinlich fallen die Gesetzestexter in Berlin und Brüssel jetzt reihenweise vor Lachen tot von den Stühlen, oder sie kündigen in Massen wegen Stress.

„Tech-Start-ups müssen auf dem Weg zum Global Player“ (Bitkom-Schulterklopfen für die MA-Generation) „optimale Voraussetzungen in Gründungs- und Wachstumsphase vorfinden. In diesem Sinne ist das Instrument einer digitalen Folgenabschätzung für alle Gesetze einzuführen.“ Hat einer „in diesem Sinne“ verstanden? Vom Rest ganz zu schweigen. Der erinnert vage an den Begriff „Technikfolgenabschätzung“ aus den 80ern, dürfte aber kaum gemeint sein, weil das war 68er Kram.

Deutschland soll gleich zum „Start-up-Hotspot“ werden. „Das in der öffentlichen Forschungs- und Wirtschaftsförderung noch zu stark verbreitete Gießkannenprinzip“ (Kanne darf im Prinzip also schon noch sein) „sollte zu einem Fokusprinzip weiterentwickelt werden.“ Wenn es denn der „digitalen Transformation“ der „Leitindustrien“ dient, Autos mit Windows-Crash-Meldungen beispielsweise.

Die TK-Anbieter brauchen ein „Level-Playing-Field“, einen halbwegs ebenen Bolzplatz, in Form einer europäischen Datenschutzverordnung. „Datenschutz muss Datenwirtschaft unter gleichen Bedingungen für alle Anbieter ermöglichen und darf sie nicht verhindern.“ Mit Menschen hat das nichts zu tun. „Zwei Grundprinzipien des Datenschutzes – Datensparsamkeit und Zweckbindung – sind zu überprüfen und durch die Prinzipien der Datenvielfalt und des Datenreichtums zu ergänzen bzw. zu ersetzen.“ Richtig gelesen: Her mit den persönlichen Daten, denn die machen die Datenwirtschaft reich, je mehr, desto mehr.

Es braucht ein „digitales Bildungsideal“ mit Informatik als „Pflichtfach ab Klasse 5“ und Englisch „ab der ersten Grundschulklasse“, damit die Schüler zeitig genug „zweisprachig“ an Buzzwords gewöhnt sind und „in voller gesellschaftlicher Breite“ ihre „Fähigkeit zum selbstbestimmten Einsatz digitaler Technologien“ entwickeln, sprich: kaufen können. Damit auch wirklich niemand fehlgeleitet wird, soll ein „Transparenzzentrum“ „einschlägiges Know-how und zuverlässige Orientierungshilfen und vertrauenswürdige Partner“ vermitteln. McDonald’s reicht noch nicht, demnächst sitzen da auch noch Microsoft-Berater.

Und dieses Geschwafel soll dann auch noch „Blueprint“ werden. Nein, werte Schüler, das ist kein englischer Ausdruck für den Jägerzaun auf Papas Bierdeckel nach einem längeren Abend in seiner Kneipe. Die Wirkung ist aber ähnlich unappetitlich.

Auf die einfachsten Dinge ist der Bitkom nicht gekommen. Konnte er auch nicht, denn er ist ein Verband der gestrigen IT, die an ihren proprietären Heimatschutzreservaten klebt. Deren Bitkom erwähnt nicht ein einziges Mal den Begriff Open Source. Dabei ist das der einzig sinnvolle Ansatz, eine IT-Industrie zu stärken, Innovatoren die Eintrittsbarrieren zu senken, öffentliche Gelder zur Souveränität über die IT einzusetzen, Hintertüren und Spionage vorzubauen. Aber dazu demnächst hier mehr von der Open Source Business Alliance.

*Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist in Kelheim.