Foto: Daniel Stricker, pixelio.de

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OTRS ist ein weit verbreitetes Open-Source-Produkt und war zu Beginn dieses Jahrhunderts eine der wichtigen Anwendungen, mit denen Open Source in Unternehmen Fuß fasste. Die Wurzeln von OTRS gehen auf Suse zurück, wo es erste Entwicklungen für das Bug-Tracking und -Fixing gab. Dort war seinerzeit Martin Edenhofer Entwickler. Als er 2001 zur Lufthansa ging, startete er in seiner Freizeit die Entwicklung von OTRS, und gründete die OTRS.org. Die erste stabile Version, die 1.0, des Ticket-Systems erschien im Februar 2003. Ein halbes Jahr später war Edenhofer einer der Gründer der OTRS GmbH, deren technischer Leiter er bis Ende 2011 war. Anschließend gründete er die Znuny GmbH in Berlin, ein Unternehmen, das auf Enterprise Services für OTRS spezialisiert ist.

2007 wurde die OTRS GmbH mit Sitz im hessischen Bad Homburg in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und zwei Jahre später an die Börse gebracht. Das Unternehmen hat inzwischen fünf Tochtergesellschaften in den USA, Mexiko, den Niederlanden, Malaysia und Hong Kong. Dies Software erscheint in 34 Sprachen. Dies ist Ausdruck einer kaum zu ermessenden Verbreitung des Ticketing-Systems. Für das vergangene Jahr berichtet der Hersteller von weltweit 3,2 Millionen Downloads und 150.000 produktiven Systemen.

Dabei fällt auf, dass OTRS mit rund 20 Prozent der Downloads aus Deutschland (2013) eine starke regionale Verbreitung hat. Allerdings könnte insbesondere ein weiterer Indikator bedenklich stimmen: Nach Angaben der AG stieg die Anzahl der Kündigungen von zwei Prozent im Jahr 2011 auf zwölf Prozent im Jahr 2014. Nun droht mehr Ungemach und zwar ausgerechnet von einem ebenfalls deutschen Anbieter, nämlich der Cape IT-Service GmbH aus Chemnitz.

Cape vertreibt seit zehn Jahren erfolgreich die Software KIX4OTRS, die auf OTRS aufbaut, funktional erweitert, eine benutzerfreundliche Oberfläche hat und sich um zusätzliche Module noch einmal ausbauen lässt. Diese Anwendung ist besonders im Helpdesk verbreitet, also in der Eingangsstufe zum IT Service Management nach ITIL. Seit einiger Zeit findet das Programm auch Anwendung in Industrieanlagen für Überwachung und Services.

Derzeit ist KIX4OTRS im Release-Stand 7.1, das auf OTRS 4 aufbaut; für Januar 2016 hat Cape soeben die Version 8 angekündigt, die dann auf dem gerade erschienenen OTRS 5 basieren wird. Damit aber wird das Ende der OTRS-Geschichte von Cape eingeleitet und den Anwendern ein sanfter Übergang angeboten. Nach der Version 8 wird KIX4OTRS seinen auf die technische Grundlage verweisenden Namensteil verlieren und nur noch KIX heißen. Denn den Kern der Software wird Cape aus OTRS 5 selbständig als Fork weiterentwickeln. Auf Dauer ist eine völlige Befreiung von den OTRS-Wurzeln das Ziel.

Ursache der Abspaltung sind offenbar schwer wiegende Probleme mit der OTRS AG. Der warf Cape auf seiner Anwenderkonferenz vor zwei Wochen vor, sie kommuniziere „keine Roadmap“ für OTRS und es gebe „kein offizielles Commitment zur langfristigen Verfügbarkeit“ des Ticketing-Systems, während die Bad Homburger stark auf eine reine Cloud-Strategie verfolgen. Es gebe „teilweise fehlerhafte OTRS-Versionen“, doch das Bug-Fixing sei „oft inkonsistent und nicht planbar“. Cape erwüchsen daraus „jährlich mehrere Monate Arbeitsaufwand, um auf neue OTRS-Versionen zu migrieren“.

Diese Arbeitszeit will Cape wohl künftig dazu nutzen, gleich eine bessere Alternative zu entwickeln. Ferner möchten die Chemnitzer dafür ihre eigenen Softwarepartner, die bisher Zusatzmodule für KIX4OTRS entwickelt haben, mit ins Boot holen. Der radikaler Schnitt wird Cape erheblichen Entwicklungsaufwand bescheren, aber das Unternehmen ist in den letzten Jahren kontinuierlich und eher zurückhaltend aus Eigenmitteln gewachsen. Ungewöhnlich hohe Zugriffszahlen auf den ersten Pressebericht über den Fork und erste positive Kommentare in den Social-Media-Kanälen zeigen zumindest ein großes Interesse an einer Alternative zu OTRS an.

*Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist in Kelheim.