MarioBild: Piperni, CC BY-ND 2.0, Flickr

Bild: Mario Piperni, CC BY-ND 2.0, Flickr

Gut einen Monat nach der Vereidigung von Donald Trump zum US-Präsidenten kann man noch keine Richtlinien für die IT-Politik der US-Regierung erwarten. Aber die Vorzeichen sehen für Open-Initiativen schlecht aus. Von Ludger Schmitz*

Am 20 Januar 2017 wurde Donald Trump vereidigt und damit Präsident der USA. Seither hat es sein Regierungs- und Beraterkreis, vor allem aber Trump selbst, geschafft, jeden Tag mit Lügen und bizarren Entscheidungen Kopfschütteln oder blankes Entsetzen hervorzurufen – jedenfalls bei jenen, die nicht seine erklärten Anhänger sind. Bei dem wilden Aktionismus, der alle Entscheidungen seines Amtsvorgängers Barack Obama umkehren soll, wundert es, dass Trump noch nicht Open Source den Krieg erklärt hat.

Obama der Friedensnobelpreisträger als Förderer der Offenheit

Obama hatte vor allem in seiner zweiten Amtsperiode Open Source, Open Data und Open Government unterstützt (mehr dazu in diesem Blog-Beitrag: „US-Regierung schreibt Behörden Open Source vor“). So kam es zu einer Richtlinie, nach der Bundesbehörden ihre Software-Entwicklungen in ein Repository einbringen und gemeinsam verwenden müssen, was Open-Source-Lizenzen voraussetzt, und 20 Prozent dieser Software grundsätzlich als Open Source allgemein verfügbar sein müssen.

Die zweite und schon zuvor gestarteten Vorgabe war, dass die Verwaltungen der US-Bundesbehörden Daten weitgehend offenlegen müssen. Open Data 500, ein Projekt der Universität New York, führt inzwischen hunderte Datenquellen von Bundesbehörden auf und nennt 500 Privatunternehmen, deren Geschäft auf eben diesen Daten basiert. Besonders bekannt und international anerkannt ist im Open-Government-Kontext die Plattform „data.gov“.

Trump, dessen IT-Horizont sich offenbar auf die Benutzung von Twitter beschränkt (Reden entwirft er handschriftlich auf Papier), und sein Stab haben anscheinend diese Open-IT-Initiativen noch nicht bemerkt. Vielleicht sind sie auch zu sehr mit den Scherben beschäftigt, die sie binnen eines Monats im Washingtoner Porzellanladen angerichtet haben.

Das wird aber nicht so bleiben. Dem 140-Zeichen-Präsidenten ist alles „fake“ und „lies“, was nicht die eigenen Ansichten bestätigt. Richtig sind für ihn und seine Leute vielmehr „alternative Fakten“. Trump hat es seit Amtsantritt auf einen Tagesdurchschnitt von vier Lügen gebracht. Wer die Realität dem eigenen Gusto unterwirft, kann Wahrheit, wissenschaftliche Erkenntnis nicht ausstehen. Deswegen evakuieren Mitarbeiter von Behörden und staatlichen Forschungseinrichtungen riesige Datenvolumen. Github bekommt einen völlig neuen Inhalt.

Diese Massenflucht des Wissens hat noch verstärkt, das Trump Scott Pruitt zum Chef der Umweltschutzbehörde EPA ernannt hatte. Zuvor hatte der erklärte Klimaskeptiker als Justizminister von Oklahoma die EPA mit Klagen überzogen. Und den Universitäten drohte Trump, ihnen die Bundesmittel zu entziehen, wenn sie nicht Positionen wie die seinen akzeptieren. Nicht von ungefähr hat die US-amerikanische Wissenschaftsgesellschaft AAAS eine Kampagne gestartet: „Ask for Evidence!“

Der Herr der alternative Fakten als Sinnbild der Intransparenz

Dass derzeit aus allen möglichen Behörden, selbst von Ministerien und Geheimdiensten, Informationen an die Presse fließen, wird Trump als administrationsinterne Opposition auffassen. Sein Gegenschlag wird weit über diese Gegner hinausgehen und sich grundsätzlich gegen eine offene öffentliche Verwaltung richten. Trump ist die personifizierte Intransparenz. Entgegen den US-Gepflogenheiten hat er seine Steuererklärungen und seine Gesundheitstestate nie veröffentlicht.

Unter solchen Umständen ist kaum eine positive Reaktion zu erwarten, sollte Trump etwas von „Open“ Source hören. Auf die IT-Branche dürfte er ohnehin nicht gut zu sprechen sein. Die hatte nämlich besonders heftig protestiert, als er seinen Einreisestopp verhängte. Unter denen, die sich öffentlich gegen den Trump-Erlass aussprachen waren Red Hat, die Linux Foundation und die OpenStack.org. Letztere bedauerte, ihren für Anfang Mai in Boston angekündigten Kongress in Boston nicht mehr absagen zu können. Der Frühjahrs-Summit 2018, der regulär in den USA stattfinden sollte, wird in eine andere Region verlegt.

Internet hin und her. Für die IT-Konzerne ist es wichtig, die besten Köpfe nahe an den Firmenzentralen zu haben. Der Einreisestopp für einige schreckt noch einmal viel mehr andere davon ab, bei US-IT-Firmen zu arbeiten. Auch für Open-Source-Projekte geht es nicht nur ums Prinzip. Es ist durchaus wichtig, sich persönlich, von Angesicht zu Angesicht zu kennen. Denn dadurch entsteht ein besseres Bild einer Person, ein besseres Vertrauensverhältnis. Das ist in Open-Source-Projekten ein nicht zu unterschätzender Faktor.

Während die Big Names der IT-Branche und ihre Lobbyisten in Washington ihre Beziehungen spielen lassen, hat die Open-Source-Gemeinde nichts dergleichen. Man sollte nicht vergessen, dass Trumps oberste Maxime „America first“ heißt – was sich per se nicht mit Open Source verträgt – und Arbeitsplätze in den USA schaffen soll. Trump ist kein Schachspieler, der die Folgen eines Zuges bedenkt, sondern ein Freund schnellen und einfachen Rechnens: IBM, Oracle, Microsoft, Apple etc. bieten in den USA weit mehr Arbeitsplätze als die ganzen Open-Source-Firmen.

Im Übrigen besteht kein Anlass zur Spekulation, Europa könnte in Reaktion auf US-Protektionismus deutlicher als bisher zu Open Source tendieren. Die Abhängigkeiten sind viel zu groß.

*Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist in Kelheim.