Schleswig-Holstein

CDU, Grüne und FDP haben einen Koalitionsvertrag vorgelegt, der deutlich neue Maßgaben für die IT-Politik setzt. Er hält ausführlich Ziele fest, die denen der Open-Source-Gemeinde weitgehend entsprechen.
*Von Ludger Schmitz

Die Rückständigkeit der deutschen IT-Politik ist an dieser Stelle schon oft dokumentiert worden; jetzt aber gibt es einen Lichtblick aus dem Land zwischen Nord- und Ostsee. Dort wollen CDU, Grüne und FDP die Landesregierung bilden, wozu sie sich zuerst auf einen Koalitionsvertrag geeinigt haben. Auch wenn er bis zu einem Votum von Parteimitgliedern noch nicht endgültig verabschiedet ist, sind die dort verankerten Positionen für deutsche Verhältnisse geradezu sensationell. Das Papier sei hier kurz zu den Aspekten zusammengefasst, die in Open-Source-Diskussionen eine wichtige Rolle spielen, ausführlich hier.

Im Grunde erhebt der Koalitionsvertrag die dynamische Digitalisierung in Schleswig-Holstein zu einem zentralen Element der Entwicklung von Wirtschaft und Ökologie im nördlichsten Bundesland. Der Digitalisierung gilt ein eigenes Kapitale mit gut zehn Seiten. Rund 60 Mal kommt das Wort „Digitalisierung“ im Koalitionsvertrag vor, so hat es der Grünen-Abgeordnete Konstantin Notz nachgezählt, der führend an den Verhandlungen beteiligt war.

Die Eckpunkte der Digitalisierung

Der Koalitionsvertrag belässt es allerdings nicht bei Phrasen zu diesem Thema sondern zählt sehr konkret die Eckpunkte auf. Denn der digitale Wandel bedarf „verlässlicher Ordnungsprinzipien, die den Schutz des Einzelnen sicherstellen“. „Dazu gehören die Gewährleistung der Netzneutralität, der Schutz der Grundrechte, insbesondere der Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sowie der Schutz vor digitaler Kriminalität.“

Die künftige Landesregierung plant den massiven Glasfaserausbau zur flächendeckenden Versorgung mit 50 Mbit/s – „nur als Zwischenschritt“. Jedes öffentliche Gebäude mit Internet-Anschluss soll einen freien WLAN-Zugang bieten, wozu die künftige Landesregierung mit einer weiteren Novelle des Telemediengesetzes „die Störerhaftung gänzlich abschaffen“ will.

Netzneutralität und Verbraucherrechte

Allerdings geht das Koalitionspapier auch darüber noch wesentlich hinaus: „Wir bekennen uns zur Netzneutralität als Voraussetzung für wirtschaftliche und demokratische Chancengleichheit im Netz. Auch künftig müssen alle Datenpakete im Internet gleichberechtigt transportiert werden, um sicherzustellen, dass weder Inhalte noch Unternehmungen diskriminiert werden. (…) Wir setzen uns für effektive Verbraucherrechte auch in der digitalen Welt, eine größtmögliche Transparenz digitaler Angebote, die tatsächliche Einhaltung vertraglicher Versprechungen (zum Beispiel, was die Bereitstellung von Bandbreiten angeht), einen effektiven Datenschutz, eine hohe IT-Sicherheit und faire Märkte ein.“

Datenschutz und IT-Sicherheit

Explizit hält der Vertrag fest: „Datenschutz dient dem Schutz der Menschenwürde und ist wesentliche Bedingung für eine freiheitliche Demokratie in einer digitalen Welt.“ IT-Sicherheit und Datenschutz werden als „internationaler Wettbewerbsvorteil“ eingeschätzt. Bekräftigt wird der Datenschutz: „Die Digitalisierung erfordert in besonderer Weise den Schutz personenbezogener Daten. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist gerade in der digitalen Welt zu gewährleisten.“

Datenschutz geht dabei Hand in Hand mit IT-Sicherheit: „Die Bürgerinnen und Bürger müssen auf Datenschutz und Datensicherheit vertrauen können, gerade wenn sie sensible Daten in die Obhut des Staates geben. Dies erreichen wir durch den verstärkten Einsatz von unabhängig überprüfbarer Hard- und Software, Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, Open-Source-Technologie und die Förderung innovativer IT-Sicherheitskonzepte.“ Bemerkenswert ist, dass hier Open Source als Element von IT-Sicherheit eingeordnet wird.

Open Data und Open Government

Was der Vertrag zum Thema „digitaler Staat“ festhält, ist auch nicht gerade alltäglich: „Wir verfolgen das Ziel einer transparenten, offenen und nachvollziehbaren Verwaltung. Open-Data und Open-Government sind für uns kein Selbstzweck, sondern integraler Bestandteil des Handelns der öffentlichen Verwaltung.“ „Dem Rechtsanspruch auf Wissen und Informationen wollen wir weiter entgegenkommen als bisher und setzen uns für eine Weiterentwicklung bestehender Informationsfreiheitsgesetze und neue Open Data-Regelungen ein, die die Behörden verpflichten, vorhandene Daten von sich aus, leicht auffindbar, maschinenlesbar und kosten- und lizenzfrei für die Öffentlichkeit bereitzustellen. Dabei können offene Schnittstellen, Standards und Software wirtschaftliche Innovationen begünstigen.“

„Vordringlicher Einsatz von Open Source“

Einen eigenen Absatz gibt es zu Open Source: „Offene Schnittstellen, Standards und Software erhöhen die Verbrauchersouveränität und stellen einen wichtigen Baustein für die Erhöhung von IT-Sicherheit und die Ermöglichung innovativer Anwendungen dar. Wir verfolgen den vordringlichen Einsatz von Open-Source Software, auch um Abhängigkeiten der öffentlichen Verwaltung von einzelnen Softwareanbietern soweit wie möglich zu reduzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, werden wir unter anderem die entsprechenden Ausschreibungsbedingungen überarbeiten. Eine vollständige Ablösung ist das langfristige Ziel.“

Ein vorläufiges Fazit

Dies ist aus Sicht der Open-Source-Gemeinde sicherlich der Höhepunkt in einer Reihe von Punkten, die ihren zentralen Forderungen entsprechen. Das verdient großes Lob und lässt auf die Zukunft hoffen. Etliche Aspekte des Koalitionsvertrags würden Wahlprüfsteinen der Open Source Business Alliance entsprechen.

Es bleibt allerdings abzuwarten. Koalitionsverträge sind keine vorweggenommene Zukunft; Papier ist geduldig. Dass die in Schleswig-Holstein ausgehandelte Koalitionsbasis allerdings mit der CDU und der FDP zustande kam, ist eine echte Überraschung. Immerhin hat sich die SPD noch in keiner Koalition zu derart klaren Positionen durchringen können. Das ist ein wesentlicher politischer Aspekt des Vertrags; denn er setzt alle politischen Kräfte und Regierungen von der kommunalen bis zur Bundesebene unter Zugzwang.

*Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist in Kelheim.