Die Arbeit in der Open Source Business Alliance zeigt, wie sich Offenheit von der Softwareentwicklung auf eine Organisation überträgt. Zusammen mit dem Engagement der Mitglieder ergibt das eine neue Qualität. Von Ludger Schmitz*

Der Blog der Open Source Business Alliance bietet mir und anderen Mitgliedern des Vereins – welche diese Chance leider viel zu wenig nutzen – einen Luxus, den es bei wenigen Verbands- oder Unternehmensblogs gibt: Es gibt keine thematischen Vorgaben; die Beiträge müssen nicht vorab abgestimmt oder abgesegnet sein. Nicht nur Erklärendes oder Hintergründe Beleuchtendes ist gefragt. Vielmehr dürfen es gerne auch unkonventionelle Ansätze, neue Ideen, streitbare Meinungen, über die offiziellen Verbandsmitteilungen hinaus gehende Standpunkte oder „Blicke über den Tellerrand hinaus“ sein. Die Blogthemen sollten lediglich etwas mit Open Source zu tun haben; Tabu sind eigentlich nur ausschließlich einzelne Mitgliedsorganisationen betreffende Themen.

Diese Offenheit für weitergehende Standpunkte will ich hier einmal an einem aktuellen Fall demonstrieren, nämlich der Pressemitteilung der OSB Alliance zum Dieselskandal. Darin empfiehlt der Verband, Software zur Motorsteuerung als Open Source zu veröffentlichen. Das würde zum einen Vertrauen schaffen, dass diesmal nicht getrickst wurde. Zum anderen könnten andere auf bessere Ideen kommen, Dieselmotoren abgasärmer zu machen.

Wer die Pressemitteilung genau liest, wird feststellen, dass in ihr sämtliche fordernde Formulierungen („wir fordern“ o.ä.) fehlen. Die Sprache ist an den entscheidenden Stellen appellativ im Konjunktiv und läuft auf Empfehlungen hinaus. Hier wird außerdem konstruktiv ein positiver Ansatz verargumentiert, welche Vorteile Open Source für die deutsche KFZ-Industrie haben könnte.

Ich habe da anderes im Sinn. Meines Erachtens wäre es durchaus richtig, Open Source nicht nur zu empfehlen, sondern zu fordern. Und das betrifft nicht nur die Steuerungssoftware von Dieselmotoren. Vor fast zwei Jahren, als bei VW der Skandal ins Rollen kam, habe ich in diesem Blog geschrieben, dass man bei Closed Source kein Vertrauen in Erklärungen von Herstellern haben kann („VW-Schadstoff für proprietäre Software“): „Im Prinzip läuft das auf eins hinaus: In allen Bereichen, in denen es um die Sicherheit von Mensch und Natur geht, sollte Open-Source-Software vorgeschrieben sein. Vertrauen gibt es nicht ohne Offenheit. So einfach ist das. Doch dafür dürfte die Zeit noch nicht reif sein.“

Der Presseerklärung zum Dieselskandal ging eine eingehende Debatte in der Task Force Presse der OSB Alliance voraus, die ich mitbekommen habe. Ich glaube sogar, dass eine Mehrheit der Mitglieder meiner weiter gehenden Meinung zustimmen würde. Aber es war auch Ansicht der Task-Force-Mehrheit, dass es sinnvoller ist, nicht unrealistische Forderungen zu stellen, sondern positiv und konstruktiv einen Weg aus der Krise zu weisen.

Das spricht deutlich für die Reifung der Open Source Business Alliance von einem (übrigens eingetragenen) Verein zu einem Verband, der Industriepolitik mitbestimmen will. Der Verband ist kein Club, in dem sich Gleichgesinnte treffen. Seit dem Zusammenschluss von Linux Solutions Group (Lisog) und LIVE Linux-Verband zur Open Source Business Alliance vor nicht ganz sechs Jahren hat sich mehr entwickelt, als nur eine gemeinsame Organisation.

Es ist bemerkenswert, dass nicht nur in der Anfangszeit der OSB Alliance neue Initiativen in Form von Working Groups und Task Forces entstanden sind. Das geschieht auch jetzt noch: In letzter Zeit sind aus Initiativen einzelner Mitglieder die Working Group Recht und die Working Group Industrie 4.0 sowie die Task Force Öffentlichkeitsarbeit entstanden.

Die OSB Alliance hat mit dem Anwalt Karl Krüger einen Vertreter in Berlin gewonnen, der Open-Source-Themen bei öffentlichen Verwaltungen und in der Politik positionieren soll. Die OSB Alliance ist quasi den Kinderschuhen entwachsen und wird gerade zum richtigen Interessenverband.

*Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist in Kelheim.