Es ist gerade Sommerloch, die halbe Redaktion im Urlaub, und dann muss schon mal einer ran, der eigentlich für Stadtratssitzungen zuständig ist, aber immerhin Accounts bei Facebook und Whatsapp hat. Prompt gibt es in diesen Tagen reichlich Artikel zur Feier von „25 Jahre Internet“. So bringt man in einer Zahl und zwei Worten zwei Fehler unter; und natürlich fehlt im Beitrag nicht die Formulierung „schöne neue xy-Welt“, womit wir bei Fehler drei und vier wären, weil die Adjktive falsch sind.

Man kann über das genaue Datum streiten, ganz sicher aber haben Tim Berner-Lee und und Robert Cailliau vom Europäischen Kernforschungszentrum CERN damals das WorldWideWeb eingeführt und nicht das Internet. Etliche OSBA-Mitglieder dürften schon vorher mit dem Usenet ihre ersten Internet-Erfahrungen gemacht haben, oder mit den Zugangsdiensten UUnet, Compuserve oder AOL, die es auch schon vor dem www gab.

Das Usenet war die Plattform, auf der Linux entstand; wohl sämtliche Open-Source-Entwicklungen sind auf Basis des Internet entstanden. Umgekehrt ist das Internet die weltgrößte Implementierung von Open-Source-Software. Denn das größte Verdienst von Tim Berners-Lee und anderen technischen Pionieren sowie den von ihnen angestoßenen Aufsichtsgremien besteht darin, dass sie auf herstellerunabhängige Standards und freier Verfügbarkeit der Technik (samt Patentfreiheit) größten Wert gelegt haben, und es bis heute tun.

Wenn heute allerdings von „freiem Internet“ die Rede ist, sind damit nicht diese technischen Grundprinzipien gemeint, sondern kostenloses WLAN ohne Störerhaftung. Da sind wir in Deutschland einen Schritt weiter, na ja, vielleicht. Im eigentlich von den „Vätern“ des Internet gemeinten Sinne sind wir weit davon entfernt. Freier Zugang gibt es bei weitem nicht in allen Ländern, und von Gleichheit aller Nutzer auf den Transportwegen konnte wohl noch nie die Rede sein.

Wir haben uns längst daran gewöhnt, dass die Internet-Provider uns mit verschiedenen Tarifgruppen unterschiedliche Verbindungsgeschwindigkeiten anbieten. Eigentlich werden wir ausgebremst, auch wenn auf den Leitungen nichts los ist. Wer mehr Durchsatz haben will, muss mehr zahlen. Das Internet ist eine Klassengesellschaft. Hat jemand im Ernst etwas anderes erwartet?

Das Kapriziöse daran ist, dass man die Leistung, für die man zahlt, nicht bekommt, sondern nur „bis zu“ x kBit/s. Je nach Tageszeit sind das bei den 16 kBit/s laut Tarif des Autors (keine 100 Meter zum nächsten Verteiler) zwischen 12.000 und 15.000 kBit/s, im Upload zwei Drittel bis drei Viertel des Vertragsversprechens. Vermutlich ist das Verhältnis in der nächst besseren Vertragsklasse ähnlich, also wird das Loch am oberen Ende noch größer.

Einen nachvollziehbaren Grund dafür kann es nicht geben, wir werden ja ohnehin schon ausgebremst. Es wird also eine werbliche Verheißung nicht gehalten. Das dürfte nicht mehr lange zulässig sein. Das Verfahren erinnert an die Verbrauchsangaben der Automobilhersteller. Die haben bereits dermaßen an Glaubwürdigkeit verloren, dass die Politik mitziehen muss, obwohl sie gar nicht will. Neu kann die Internet-Welt nicht werden, schöner schon.

*Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist in Kelheim.