Okay, sagt sich der Blogger und Journalist, Überschriften sollten richtig reinhauen. Aber nicht wenn‘s schlicht falsch ist. „Microsoft <3 Linux“, titelte HeiseOpen, „und das schon lange“. Falsch ist, dass Microsoft Linux weder liebt noch herzt oder so. Und im Übrigen: So lange dauert das Tächtelmächtel auch noch nicht. Offensichtlich ist es erst seit vor zweieinhalb Jahren Satya Nadella in Redmond CEO geworden ist. Auf den geht übrigens die HeiseOpen-Überschrift zurück, siehe hier das Aufmacherfoto.

Hier muss nicht noch einmal ausgebreitet werden, wie Microsoft einst zu Linux und Open-Source-Software stand. Die Aussagen „Krebsgeschwür“ und „unamerikanisch“ von Steve Ballmer reichen. Seither hat sich eine Menge getan. Microsoft ist in diversen Open-Source-Projekten aktiv, .NET Core 1.0 ist Open Source, ebenso das dazu gehörende Administrations-Tool „Powershell“ und so weiter.

Dabei fällt auf, dass Microsofts Open-Source-Aktivitäten fast immer etwas mit Cloud Computing zu tun haben, besser: mit dem Wohlergehen von Azure. Fast jede dritte VM auf Azure ist Linux, und annähernd 60 Prozent der dortigen IaaS-Angebote von Fremdfirmen sind Open Source. Nach Microsoft-Angaben. Nicht von Ungefähr wird Microsofts Azure-Manager John Gossman Vorstandsmitglied in der Linux Foundation (LF).

„Unser Lieblingsfeind ist uns abhanden gekommen.“

Wenn Microsoft auf Cloud Computing setzt, kommt es an Linux und Open Source gar nicht mehr vorbei. Einen Tick schärfer formuliert: Cloud Computing ist schlecht für das proprietäre Software-Business. Microsoft ist ein Gigant, der längst nicht mehr so souverän wie einst aus seiner Ecke vorstürmen und sich durchschlagen kann. Elmar Geese, langjähriger Vorstand des ehemaligen Linux-Verbands LIVE hat schon vor mehr als vier Jahren gesagt: „Wir brauchen Microsoft nur noch zu dissen, wenn wir mal Spaß haben wollen.“ Jetzt hat Peter Ganten, Vorstandsvorsitzender der Open Source Business Alliance, recht: „Unser Lieblingsfeind ist uns abhanden gekommen.“

Der Microsofts LF-Beitritt widerspiegelt das geschwundene Gewicht des Redmonder Unternehmens in der IT-Welt. Wo Microsoft nicht mehr bestimmen kann, wo es lang geht, will die Firma wenigsten mitbestimmen. Und dann sind Sorgen nicht ganz abwegig. Noch so ein lateinischer Merksatz, diesmal aus Vergils Aeneis. Dort warnt Laokoon angesichts des trojanischen Pferdes: „Quidquid id est, timeo Danaos et dona ferentes.“ Was immer es ist, ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen.

Was hat also Microsoft davon, viele Dollar in die Linux Foundation einzuzahlen und der Open-Source-Welt durch die Mitgliedschaft Anerkennung zu verschaffen?

„Cui bono?“

Microsoft ist im Kern von Open Source dabei. Genau das wird das Unternehmen immer kräftiger herausposaunen. Denn das ist gut für das Image: „Wir sind doch überhaupt nicht mehr die alte proprietäre Microsoft!“ „Eigene Interessen durchdrücken? Wir doch nicht!“ Genau das ist natürlich völliger PR-Unsinn. Microsoft ist von Open Source fast genau so weit entfernt, wie es Produkte hat. Also ziemlich weit.

Aber der Verweis auf die LF-Mitgliedschaft wird schon wirken. Microsoft wird den Eindruck verstärken wollen, man sei ja gar nicht so proprietär, sondern einfach offen für eine heterogene IT-Welt. Das wird Hoffnungen schüren – und Kaufentscheidungen beeinflussen durch Erwartungen, die dann leider doch nicht so bald Wirklichkeit werden. Mit einer Microsoft in der Linux Foundation wird mancher denken, nun habe sich doch der fälschlicherweise als „ideologisch“ bezeichnete Antagonismus zur Open-Source-Welt. Ich möchte fast darauf wetten, dass irgendein LiMUX-Gegner in München sein Plädoyer für eine Rückkehr zu Windows und Office mit der „Öffnung von Microsoft“ begründen wird.

*Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist in Kelheim.