Satermedia, Pixabay, CC0

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München hat sich von LiMux verabschiedet, und auch für LibreOffice schaut es schlecht aus. Die Folgen dürften über die bayerische Landeshauptstadt hinausreichen. Symptomatisch im einstigen Land der Erfinder. Von Ludger Schmitz*

Dass München sich zu Anfang dieses Jahrhunderts entschied, die Modernisierung der IT per Linux und Open-Souce-Anwendungen mit der Befreiung aus der Abhängigkeit von Microsoft zu verbinden, war eine Sensation, die weltweit viele Schlagzeilen machte. Dass die Stadt jetzt zu Microsoft zurückkehrt, sorgte ebenfalls für Aufmerksamkeit, aber doch deutlich weniger. Das zeigt schon, dass sich in der IT einiges geändert hat.

Zu Beginn dieses Jahrhunderts galt es gemeinhin als Selbstverständlichkeit, dass Desktops mit Microsoft vom Windows über Office bis zur Groupware liefen. Gleichzeitig wurde diese Monokultur hinterfragt, verschiedene Öffentliche Verwaltungen begannen, für normale Büroumgebungen Open-Source-Anwendungen auf Basis von Linux- oder Windows-Desktops auszuprobieren. Viele dieser Projekte sind wieder aufgegeben worden, die alten „Leuchttürme“ leuchten nicht mehr.

Der Grund sind Änderungen auf mehreren Seiten. Auf Seiten der IT ist die Euphorie der meist jüngeren Fachkräfte verflogen, mit Linux die IT-Welt umkrempeln zu können, nebenbei die Monopolambitionen von Microsoft zu brechen. Inzwischen hat sich Linux auf den Servern durchgesetzt – und dabei nicht nur Unix verdrängt, sondern die Übernahme des Backends durch Microsoft verhindert.

Job erledigt? Nein. Andere Jobs sind dringlicher geworden. Wie weit sind wir denn mit der Service-Orientierung der IT, mit der Umsetzung von ITIL-Theorie in die Praxis? Meistens geht es über Helpdesk-Organisation nicht hinaus. Weil es brennt ja längst an anderen Baustellen. Cloud und wie lässt sich die Abhängigkeit von Amazon, Microsoft, Google etc.,  ein Vendor Lock-in, verhindern. OpenStack? Ja, aber noch dringender müssen wir alle Kräfte auf IT-Sicherheit konzentrieren…

Die letzten dieser Neuorientierungen sind im Wesentlichen Anforderungen der Unternehmensleitungen. Das heißt: Die IT ist nicht unbedingt die initiative Kraft in Firmen, was sie noch bei der Linux-Ausrichtung war. Gleichzeitig hat sich herausgestellt, dass Open Source nicht gleichzusetzen ist mit Geld sparen. Herstellerunabhängigkeit wird schnell nachrangig, wenn die IT vor allem reibungslos laufen soll. In der Öffentlichen Verwaltung widerspiegelt sich die Politik der großen Koalition, ein Adenauer-Merkel-Prinzip: Hauptsache es läuft, nur keine Experimente. Vielleicht können wir ja mit Breitbandausbau oder E-Government bei den Bürgern besser punkten. Ergebnis: Kapitulation vor Microsoft. Dass man sich dabei neue Probleme holt, die letztlich – aber eben erst morgen – viel Geld kosten werden, wird Thema im nächsten Blog-Beitrag.

Deutschland, das Land der Erfinder, verfällt in Passivität. Mehr als die Hälfte der Deutschen haben Unbehagen mit der Geschwindigkeit des technischen Fortschritts, so der Monitoring Report des Bundeswirtschaftsministeriums. Demnach halten ferner zwei Drittel der Firmen Big Data und Industrie 4.0 für nicht wichtig. Es gibt Hinweise, dass Öffentliche Verwaltungen in aller Stille Open-Source-Lösungen durch Microsoft-Produkte ablösen, ohne die eigentlich vorgeschriebenen Ausschreibungen.

Glücklicherweise läuft es nicht überall im Lande so, aber den Kopf schütteln lässt die Suche nach einer heilen IT-Welt, nach einem digitalen Rothenburg ob der Tauber schon. Erst recht verwundert die deutsche Entwicklung, wenn man ins europäische Ausland schaut. Allenthalben sind da Linux und Open-Source-Anwendungen angesagt, auch auf Desktops. Die Gründe sind immer gleich: Nicht weil es kostengünstiger ist, sondern weil man sich keinem Preisdiktat eines Herstellers ausliefern will. Weil es Sicherheit nur gibt, wenn sich der Sourcecode überprüfen lässt. Weil man nicht betteln und warten muss, sondern selber entwickeln (lassen) kann, was man für nötig hält. Weil Software leichter mitwachsen kann. Weil offene Standards IT einfacher machen. Weil, weil, weil…

München hat sich als Leuchtturm ausgeschaltet und verliert damit sein Avantgarde-Image. Leider ist zu befürchten, dass dieses Beispiel hierzulande noch mehr zukunftsweisende Ansätze beenden könnte. Stattdessen Warnleuchten an Baustellen: Ist dieses Land etwa schon überfordert mit Breitbandausbau, Open Data und E-Government? Wer heute alle Kraft dafür verbraucht, eine Automobilindustrie zu retten, die sich selbst in den Dreck geritten hat, wird morgen Microsoft, Oracle etc. retten müssen, weil er ohne sie auch nicht kann.

*Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist in Kelheim.